Reste-Rezepte, Überproduktion, Überdruss – und der Kampf an drei Fronten
Geschrieben am 12. Oktober 2017 von KPBaumgardt
Mit „Jamaica“ könnte unsere Landwirtschaft sich ein wenig verändern – oder auch im Zusammenhang mit globalen Bedingungen, oder, weil die Verbraucher anspruchsvoller werden:
Mit der Zeit kommen die Verbraucher, also wir, darauf, dass die industrielle Lebensmittelproduktion nicht zu besserer Lebensm(ittel)qualität führt.
Was die „Modernisierung“ der Ernährung mit sich bringt, ist allerdings ein „dickes“ Gesundheitsproblem: Im Trillionen-Dollar-Bereich…
Jeder weiß: Die Dicken sind selbst und allein verantwortlich für das, was sie essen, jeder empfiehlt ganz volkswissenschaftlich: „Friss die Hälfte“ und „entwickle einfach mehr Selbstdisziplin“.
Das Frühstück: Hier mal wieder mit selbstgemachter Creme, „Frischkäse“ aus Kefir
An anderer Stelle ist zu lesen, dass „Hühnchen“ heute – verglichen mit 1970 – nur noch ein Drittel der damaligen Omega-3-Fette „liefern“, also kurz vor gesundheitsschädlich geworden sind, denn wir nehmen in der Folge mehr Cholesterin auf als früher.
Diese Tiere werden turbogefüttert – das ergibt für die Konsumenten logischerweise Turbonahrung, die mit Geschmacksverstärkern angereichert, zu „Turbo-Rettungsringen“ führt. Dass bei diesem Nahrungsangebot noch Schlanke existieren, ist zum Teil der Genetik, zum Teil deren Willensanstrengung, zum Teil ihrer Sozialisation geschuldet.
Bei Milch, Käse und Butter ist es ähnlich, das „Fettspektrum“ von Weidemilch ist einfach besser als bei Soja-Fütterung. Die gilt inzwischen als „konventionell“, denn Konventionen werden geändert.
„Traditionell“ wäre halt die Gras-Fütterung, die gibt es heute zum Extra-Preis, das System ist pervertiert.
Unbekanntes Lebensmittel oben links: Fermentierter Radiccio – (noch) nicht direkt eine Delikatesse, aber eine Rarität.
Nun, man könnte meinen, die Agrarproduktion zu de-intensivieren wäre keine schlechte Idee. Und wenn wir – wo nötig – weniger essen, auch bei der Fleischproduktion zurückschalten und Futtermittel sparten, wäre doch schon viel gewonnen.
Der (gefüllte) Pilz als Fleisch-Alternative: Man beachte den Unterscheid zwischen „Alternative“ und „Ersatz“! Dazu Cappelletti und Spinat, um mal ein bisschen neu zu kombinieren.
Schließlich ist „vegetarisch und vegan“ manchmal ja durchaus genießbar, und wenn wir dann in Küche und Großküche noch die Resteverwertung einführen und überhaupt den Bedarf besser kalkulieren, auf dem Acker wieder die „Nachlese“ einführen, hätten wir noch eine Chance, dass die Natur wieder zu sich selbst findet.
Mit einem Veggie-Day die Bevölkerung beglücken zu wollen ist allerdings eine doofe Idee: Schon der Hauch von Zwang beim Essen vergällt es. Der Zwang der Gewohnheiten wird dabei nicht als Zwang, sondern als Bedürfnis wahrgenommen – es lebe die Currywurst mit Pommes!
Der „ökologische foot-print“ (nicht: Fingerabdruck!) der Ananas bei den Paprika ist natürlich nicht unbedenklich… Die Paprika hingegen ist regional durchaus anzuziehen, und getrocknete (schwarze) Pilze sind quasi „immer saisonal…
Der Einzelhandel wirft ja noch immer alles weg, was das Mindeshaltbarkeitsdatum erreicht hat; hier in Idstein ist der Eine oder Andere immerhin schon dazu übergegangen, in einer Ecke im Kühlregal rabattiert anzubieten, was nur noch einen Tag lang (oder zwei) verkauft werden darf.
Wer hier mit Rabatt kauft, wird zum Lebensmittelretter…
– Gedämpfter Fenchel –
Wer weniger Fleisch isst, muss mehr Gemüse essen, kann mehr Gemüse essen, ist genauer formuliert, und „Fenchel im Glastopf“ klingt allemal besser als „Leberkäse aus dem Thermomix 😉
Der bunte Gemüseteller wird von einer kleinen Sättigungsbeilage begleitet; die Maccaroni, die eigentlich nach „nichts“ schmecken, sind schmackhaft durch einen kleinen, asiatischen Trick – gewürzt mit fermentierter Soja, als Sojasauce gerne auch in besserer Qualität erhältlich.
Wenn weder die Herstellung einer Sojasauce noch die von Miso in der Schule gelehrt wird, liegt das wohl an der Digitalisierung von Kindheit und Jugend; dass die „Deutsche Gesellchaft für Ernährung“ sich nicht um solche Diversifizierung der Ernährung kümmert (warum eigentlich gibt es keinen Fernkurs: Soja-Saucen brauen mit der DGE?) ist darin begründet, dass sie ihre Millionen aus dem Staatsäckel auch fürs Däumchendrehen bekämen, notfalls, also schon genug tun.
Ein Radiccio-Salat mit süßem Frischkäse und Apfel = eine komplette Mahlzeit, wenn der Energiebedarf nicht allzu groß ist
Saure und Bitter-Noten kommen im Geschmacksrepertoire der Lebensmittelindustrie nur selten vor, aber gezuckert wird mächtig:
Das nimmt ein liberaler Staat hin, und schon Ertl als Landwirtschaftsminister („Europa hat schwere Stunden hinter mir“ oder auch: „… Struktur-, Regional-, Sozial-, Bildungs-, Umwelt- und Verbraucherpolitik. Das alles subsumierte er unter Agrarpolitik.“) hatte (diskret?) die Deutsche Zuckerrübe, den „Agrarförderungssektor“ gefördert
Das ist vielleicht auch der Punkt, warum letzten
Endes heute draußen eine so große Unruhe besteht:
weil die Bauern erstens sehen, daß ihre Preise permanent
fallen und daß es auf dem Agrarförderungssektor
auch immer schlechter wird. Da schafft es
eben die Große Koalition, daß nicht nur die Studenten,
sondern auch die Bauern auf die Straße gehen,
wobei man es den Bauern heute nicht mehr übel-
nehmen kann. dipbt.bundestag.de/doc/btp/05/05159.pdf
Die Studenten haben das mit der Straße ja aufgegeben, und die Bauern, die unter dem Motto „Wir haben es satt“ ihre Traktoren über die Straßen der Hauptstadt rollen lassen, werden in keiner Bundestagsdebatte mehr erwähnt.
Während damals die Versorgung mit Fisch noch keinen Anlass zur Zurückhaltung beim Konsum zu geben schien, werden wir heute vorsichtiger damit, vergessen auch vor lauter „low-carb“ -Ernährung schon mal das Brot oder Brötchen – nun, das war noch beim Aufbacken:
Die Milliardenbeträge, die die Landwirtschaftspolitik bewegt, fließen, von der Öffentlichkeit wenig beachtet, wie von selbst.
Die Ziele dieser Mittel-Bewegung werden kaum diskutiert, waren vor lauter Zuzugs-Dikussionen und „gelten die Menschenrechte jetzt noch in den USA“-Fragen unerträglich unsichtbar.
Die Landwirtschaftspolitik in den Medien nur noch kanpp vor der „Entwicklungspolitik – konnte das sein?
Der aktuelle Landwirtschaftsminister schrieb in dieser Malaise kein Buch über fröhliche Schweinemast, bunte Rinder und und glückliche Hühner, sondern hat lange im Vorfeld beschlossen:
Sensibler Umgang mit Lebensmittel-Ressourcen: Das bedeutet auch, die Panade selbst aus altbackenen Brötchen zu reiben!
Die Bevölkerung wird sensibilisiert, wegen der Lebensmittelverschwendung!
„Das kommt vor allem bei den Älteren an, die schon immer den Teller leergegessen haben, und den Jungen machen wir ein schlechtes Gewissen. Auf jeden Fall ist es Eigenwerbung, die zeigt: Wir tun was! Wir beziehen die Bevölkerung ein, wir hören hin, wenden uns zu, mit dem Slogan:
„Zu gut für die Tonne“!“
Ich halte es für wahrscheinlich, dass im Landwirtschaftsministerium so gedacht wird, und es zugeht wie folgt:
Während mit der einen Hand Überschüsse per Überdüngung und „Unkraut“-Überspritzung erzeugt werden, verarbeitet und vermeidet die andere Hand Lebensmittelreste, damit mehr Überschüsse liegenbleiben – oder exportiert werden können.
Von der propagierten Eindämmung der Verschwendung bleibt, da der Nachschub an Ware höchstens noch durch Frostschäden während der Blüte und somit eine verknappte Apfelernte gebremst wird außer der Propaganda nicht viel übrig…
Der Ideenwettbewerb wird zum Schildbürgerstreich, den ein Minister der Bevölkerung spielt, und nur die Ideen einer klitzekleinen, genehmen, dankbaren, ausgewählten „Spitzengruppe“ werden dabei gewürdigt & honoriert! Wo das Leistungsprinzip so auf die Spitze getrieben wird, geht eigentlich Gemeinsinn flöten…
Häusliche Tortelliniproduktion…
Ideen wie
„Lebensmittelverschwendung , die durch zu-viel-Verzehr bedingt ist, zu unterbinden, spart Lebensmittel“
werden als Spitzfindigkeit abgetan, kehrt man unter den Tepich – denn wer wollte hier noch die ganzheitliche Brille aufsetzen?
Ganz in der imperialen Geste lassen die Macher zum Ideen-Wettkampf antreten, um von der Tribüne der Jury sich Ideen präsentieren zu lassen und, über Sieg und Niederlage entscheidend, die Pose des Herrschers einzunehmen. „Gegenseitigkeit“ ist in diesem Werte-Feld nicht vorgesehen.
Lieber Sojapaste, Rotwein, Bratensatz – lieber Geschmacksträger auf dem Teller und „Kabinett“ im Glas, als den Amtsschimmel im Kabinett
Nachwort:
Auf jedem der hier verwendeten Lebensmittel-Fotos ist wenigstens ein Lebensmittel, das im Laden rabattiert war und am nächsten Tag im Müll gelandet wäre. Wenig bekannt: Die eigene Kefir-Herstellung kann der Konservierung/dem Haltbarmachen dienen.
Die Vermeidung von Vergeudung kann individuellen, ökonomischen und/oder ideellen Notwendigkeiten entsprechen, bei Diäten ist eine sinnvolle Begrenzung selbstverständlich.
„Spinat-Semmelknödel, in der Serviette gedämpft“ ist eine relativ sichere Zubereitungsart, bei der die Knödel nicht zerfallen und zu Suppe werden…
Die Zubereitung von Semmelknödeln ähnelt der von Brotauflauf, auch hinsichtlich der Weiterverwendung von Brotresten.
Nach dem Motto „Erst kommt das Essen, dann kommt die Moral“ müssten wir jetzt zum moralischen Teil des Artikels kommen. Den hatten wir ja schon gestreift, mit dem Hinweis, dass es unmoralisch ist, von Anderen die Ideen abzugreifen und dabei zum größten Teil das Gesetz des „Eine Hand wäscht die Andere“ zu brechen.
Andererseits: Diese Rezepte sind ohnehin Gemeingut – oft alt und vergessen. Ohne die Erfahrungen Anderer wäre mir der abgebildete Kloß nicht gelungen.
Die alten Rezepte und Gedanken mit Neuem kreativ weiter zu gestalten – das kann man versuchen. Was dabei „herauskommt“, sollte mehr als ein gelegentlich variierter Eintopf sein!
Die Vergeudung von Ressourcen wie Lebensmitteln, Arbeitskraft, Energie kann die Menschheit sich heute tatsächlich nicht mehr leisten, wenn es um „Klimaziele“ wie eine möglichst niedrige Erhitzung des Klimas und das Überleben Aller geht.
Ökologisch geht es um das richtige Verhältnis von Bedarfsdekung, Bevorratung und Naturschutz; letzterer braucht im Wortsinn Raum, und der Natur noch den letzten Quadratmeter durch Fehl-Bewirtschaftung, Versiegelung, Bodenerosion und Überflutung zu entziehen, führt in die Katastrophe, die noch von Arten- und Bienensterben, Feuersbrünsten, Unwettern und so weiter andeutungsweise markiert wird.
Für „Diät“ gilt die gleiche Moral, und es geht bei „Diät“ nicht nur um das „was, wann, wie und wieviel“ der physichen Ernährung, sondern auch um „Gemütszustände“, die Balance von Arbeit & Ruhe, Wachen & Schlafen usw. – und um das geeignete Umfeld.
Es geht um die eigene Gesundheit, und (ganz egoistisch) um gesunde Lebensmittel, damit auch um Haltungsbedingungen für Tiere, die dem Grundgesetz-Artikel 20 entsprechen. Was in der Diskussion oft herausfällt, ist die Frage: „Welche nationalen Ernährungsempfehlungen berücksichtigen die Umwelt?“ (Fao-Studie)
Im Ausnahmefall geht es auch ums achtsame, gemeinsame Essen, und über den gefüllten und dekorierten Teller hinaus – schon fast in die oben mit „“Diät“ im erweiterten Sinne“ gemeinte Richtung.
Schließlich, weil der Mensch nicht mit dem Ziel, als Monade zu überleben, in die Welt gesetzt wurde, kann er noch einem Netzwerk beitreten:
Beim „Kompetenznetwerk Gegengewicht“ geht es um die gegenseitige Ergänzung Betroffener, gegenseitige Unterstützung. Weniger um „Rezepte“, von denen es ohnehin zu viele gibt und wenn, dann um Anregungen.
Vorschriften von Leuten, die ihre eigenen Regeln zutiefst verinnerlicht haben und sich gar keine Abweichungen vorstellen können, die nur wissen, was ihnen gut tut, sich aber nicht ins Gegenüber einfühlen können, sind bekanntlich sinnlos.
Der „Kampf an mehreren Fronten“, zwischen Gewohnheit, Junk-Food und verführerischen Angeboten, um medizinische Versorgung und bessere Therapie, um adäquate Selbsthilfe, gegen die Enttäuschung über ausbleibende Unterstützung ist schwierig, aber unvermeidlich.
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