Fleischersatz auf dem Standesamt

Wer ein neues Produkt auf den Markt bringt, muss ihm einen Namen geben – wenn der dann standesamtlich eingetragen würde, hätten diese beliebten Ämter ein weiteres Aufgabengebiet. Das Kind braucht einen Namen – und was ist mit einer bratbaren, gewürzten Pflanzeneiweißpampe in einer veganen Hülle (1.) wie macht man so etwas – aus Plastik? 2.) Hier von Darm zu reden, ist jetzt auch nicht mehr zulässig – siehe unten)

Als kürzlich der Agrarminister gefordert hatte, Fleischnamen für vegane und vegetarische Ersatzprodukte zu verbieten, konnte ich ich nur den Kopf schütteln, fragte mich auch, wer sich die „konformen Namen“ ausdenken soll, mal ganz davon abgesehen, dass bei einer „Fleischtomate“ hoffentlich niemand einen neuen, nicht mehr irreführenden Namen vergeben wird wollen. Und was eine Zimtschnecke ist: Die soll der Minister dann halt im Restaurant bestellen, schmeckt vielleicht auch besser als mit Knoblauch.

Es wäre ganz nett, wenn wir hierüber tatsächlich eine Debatte hätten -dann könnten wir auch diskutieren, ob es korrekt ist, dass beispielsweise niemand die Bezeichnung Erdbeerjoghurt verbieten lässt, wenn dieser nur aus Aromen besteht – bestenfalls mit ein paar hinzugefügten Samen-Körnchen und Farbstoffen. Oder: Was ist mit Schokopudding, der nur ein Prozent Kakao enthält, und warum heißt eine Wurst, die zu 50 Prozent aus Schwein besteht, Kalbsleberwurst?

Ganz davon abgesehen, dass nach dem Kindergartenalter eine Bedeutungsverschiebung des Wortes „Sandkuchen“ durchaus erwünscht ist.

Die Gefahr, dass Verbraucher sich von Bezeichnungen wie „vegane Currywurst“ oder „vegetarisches Schnitzel“ in die Irre führen lassen könnten, ist allerdings gegeben: Wenn das „Schnitzel-Eiweiß“ aus Milch von Kühen, die mit Gen-Soja gefüttert wurden stammt, und die Verbraucher unter „vegetarisch“ „frei von tierischen Bestandteilen“ oder überhaupt „öko“ verstehen.

Unbedingt irreführend ist allerdings auch eine Curry-Packung, auf der sich irgendwo ein „veganes Label“ findet, bei dem man annehmen könnte, anderes Curry enthalte tierische Bestandteile – wer will das alles wissen?

Ebenso sollte der Landwirtschaftminister oder wer auch immer gegen die heraufziehende Unsitte, Mineralwasser als „glutenfrei“ zu bewerben – wobei auch der Hinweis „Bisphenolfreisetzung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Norm“ so, so oder so, sowieso bedenklich ist – ist hier nicht bereits die „Norm“ irreführend?

Bei Fleischalternativen auf Pflanzenproteinbasis kann man immer noch Bedenken haben: Lupinen-Eiweiß ist auch ein hochverarbeitetes, „manipuliertes“ Produkt – wobei „Lupinenschnitzeol“ sich doch recht harmlos anhört. Andererseits: Verkaufte man Rübenschnitzel, ohne sie unnatürlich zu verformen, würde die niemand als Fleischersatze akzeptieren. Bei „Sellerieschnitzel“ wiederum wissen die wenigsten, wie man es zubereitet, aber man kann sie panieren.

Auch bei Leberkäse, Fleischsalat, Marzipankartoffeln und Eistee könnte der Minister in die Regulierungswut verfallen – nur um dann vom EU-Recht eingeholt – oder gebremst – zu werden. (Wie war denn das, mit der Autobahnmaut?)

Mit neuen Rezepten einen Markt zu erobern, ist in der Marktwirtschaft eine Frage, wie stark die Medien eingebunden werden – gegen Geld, versteht sich, und wenn IBM „künstliche Intelligenz“ mit Schweizer Schokoladen-Tradition paart, entstehen vielleicht neue Rezepte – oder die alten sind uns noch gut genug.

Das Etikett für die Veggie-Ersatzprodukte wirft also interessante Fragen auf, seit die ersten Fleischersatzprodukte den Markt „erobert“ haben. Wenn wir hier zu „gescheiten“ Bezeichnungen kommen, die den „Ersatz“-Charakter der Produkte vergessen lassen, haben wahrscheinlich die fleischlichen Mager-Schnitzel (die ja inzwischen, dank Turbo-Tier-Mast, längst nicht mehr sind, was sie sein könnten) die schlechteren Karten – besonders bei Alternativen zum Tofu-Einerlei.

„Fleischlos“ ist eine merkwürdige Mode, ohne die es keine Vegetarier oder Veganer gäbe. Die haben zwar eine neue Identität, können aber nicht vermitteln welche ethischen oder gesundheitlichen Gründe sie antreiben (Womit ihre „Bewegung“ auch etwas ins Stocken gekommen ist).

Wenn Agrarminister Schmidt auch davor warnt , auf Fleisch in Kitas und Schulen zu verzichten, bewegt er sich außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs: Hier werden/würden Kinder und Studenten gegängelt. Wer da fragt, ob er nicht in einer Hinsicht auch Recht hat, weil es intolerant sei, Menschen die Möglichkeit zu nehmen, zum Mittag auch mal Fleisch zu essen, ist ein merkwürdiger Anwalt, tut so, als gäbe es den permanenten Veggie-day.

Sollte es darum gehen, den Kiddies nahe zu bringen, woher unsere Nahrungsmittel kommen, läge es nahe, sie an der Arbeit in der Schulkantine zu beteiligen. Damit könnte auch die Illusion von der ständigen, maßlosen Verfügbarkeit der Nahrungsmittel abgeschwächt werden, zugunsten eines reifen Bewusstseins für das, was täglich auf unserem Teller landet.

 

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