Containern ist kein Kavaliersdelikt!
Geschrieben am 20. April 2016 von KPBaumgardt
Heutzutage – also die letzten Tage und Wochen sind regelrecht verböhmermannt. Da glauben manche, indem sie einem Text voranstellen: Hier kommt: Satire!
– ja, da glauben sie, reden zu können, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Dabei muss es sich dann schon um Bio-Hähnchen handeln, denn die anderen sind entweder geschreddert, oder ihr Schnabel ist gekürzt, damit sie sich nicht verletzen, gegenseitig. Also wird gekräht, wie es einem Hahn zusteht – wir kennen das Bild aus Bremen…
Was bei dem Quartett zuoberst sitzt, wird ansonsten verarbeitet, verpackt, gegrillt, mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen und verkauft.
Verantwortliche Kaufmannsleute kontrollieren die Frische ihrer Waren und entsorgen, was weg muss – weil sie die Eigentümer der Ware sind, sind sie auch verantwortlich, dass nichts überlagertes keinen Schaden anrichtet, und das kommt in die Tonne.
Aber der Hahn muss auch krähen, am liebsten vom Misthaufen herunter, um das kommende Wetter zu verkünden oder warum auch immer – man muss den Tieren den Spass auch gönnen, es ist ein angeborenes Programm und ganz natürlich. Das Lied hat natürlich nicht viel zu sagen, ist meist zufällig entstanden – viele Hähne kopieren auch einfach, was andere schon länger krähen, Spatzen machen das auch pfeifend, und jeder weiß es: 50% der Ackerflächen könnten eingespart werden, ökologisch sinnvollen Zwecken zur Verfügung stehen, uns, den Bürgern der Republik, dem Volk und dem Hans und der Marianne Platz für stadtnahe Parks und Erholungsgebiete bieten, dem Auerhahn Brutgebiete, den Störchen Wiesen zum Frösche-fangen, wenn uns die Störche auch nicht mehr bringen, was sie mal gebracht hatten, aber vielleicht sind sie ja auch nur im Stress, weil die Pole abschmelzen, wenn, ja wenn …
Wenn die Lebensmittelmärkte das, was aus Verantwortlichkeit „entsorgt“ wird, einfach zum kostenlosen Mitnehmen feilböten. Das klingt altmodisch? Ist es auch, wie die Redewendung vom Maulaffen feilbieten.
Wir sollen auch nichts zum Verkauf anbieten oder dumm herumstehen, sondern eine Petition unterschreiben, denn in Aachen werden zwei Menschen wegen „schweren Diebstahls“ vor Gericht gestellt, „weil sie gutes Essen aus Mülltonnen gerettet haben“.
„Essen retten“ als Synonym für „Essen klauen“ zu benutzen ist alerdings die Sprache vergewaltigen. Aber Sprachmissbrauch wird gerichtlich geduldet, vielleicht, weil er eine tragend-morsche Säule unserer Gesellschaft ist – das kann man in jedem Entsorgungspark sehen.
Man kann auch das Essen retten und dafür bezahlen, dann ist es nicht geklaut. Ich mache das öfters, und der Supermarkt kommt mir entgegen und hat für die Ware, die bald „abgelaufen“ ist, auffallende rote Aufkleber, die auch noch einen Rabatt versprechen – Handkäs‘ am Rande der Haltbarkeit ist ja eh das Größte!
Sicher gehört Milch nicht in die Abfalltonne – aus mehreren Gründen; der beste Grund, Milch, die bald „kippen“ könnte, verbilligt zu erstehen ist, dass sie ausgezeichnet als Ausgangsprodukt für selbst gemachten Joghurt taugt.
Statt solche Initiative des Handels zu unterstützen, oder sich für die Verminderung der Lebensmittel-Verluste bei Ernte und Transport einzusetzen, wird aber das „Containern“ hochgelobt, und Deutsch wieder mal zur Fremdsprache – verdenglischt.
„Behältnissen“ klingt doch – na ja, nicht so doll. Das Abfalleimern als Strategie wider die Lebensmittelverschwendung wird bis auf Weiteres nur Wenigen als Option möglich sein; wenn „die Justiz“ so etwas als schweren Diebstahl ansieht, möchte ich nur noch wissen, was dann leichter Diebstahl ist – aber können die Containerer nicht fragen, ob sie ein paar Reste mitnehmen dürfen, oder bei der Tafel mitarbeiten und auch noch anderen als sich selbst helfen?
Derweil suchen die unbemitteleten Kollegen in öffentlichen Abfallbehältern nach Pfand-Dosen und haben überhaupt kein Helden-Image, ist das nicht merkwürdig, wo die Würde hinfällt?
Und dann kommt die Justiz:
„Anstatt gegen die immense Lebensmittelvernichtung vorzugehen, werden Containernde kriminalisiert“.
Liebe Containerer,
die immense Lebensmittelvergeudung haben wir doch auf allen Ebenen!
Alleine das Übergewicht, das die Massen in unserer Gesellschaft herumschleppen, bedingt einen erhöhten kalorienmäßigen Grundumsatz, grob geschätzt um 300 KCAL je Betroffenem täglich, bei 40 Mio Übergewichtigen ergibt das 486.666,6 Kubikmeter Fett pro Jahr, anschaulich ausgedrückt, einen Zug mit Kesselwagen (und da passt mehr hinein als in einen LKW) von 132 Kilometern Länge.
Aber das Schicksal der leidenden Mehrheit ist Euch gleichgültig, Ihr denkt nur an Eure Kochtöpfe, und an die nächste Schnippel-Disko, wo ihr wieder von Euren Heldentaten im Container berichten könnt!
Schnippel-Discos in der Hauptstadt stattfinden zu lassen, wo die allgemeine Sturheit geringer ist und die Aufgeschlossenheit für Neuartiges größer, ist einfach. Vielleicht propagiert Ihr demnächst auch ein einfaches Kimchi? Dafür kännt Ihr noch mehr schnippeln und so richtig mit Kulturen arbeiten!
Sogar die Politik unterstützt Eure Politik mit wirksamsten Kampagnen – wann werdet Ihr einsehen, dass mit dem Schlachtruf „Zu gut für die Tonne“ doch nur verwelkte Blumensträuße zu gewinnen sind, wann werdet ihr auch das „Zu viel für die Hüfte“ in Euer Repertoire aufnehmen, wann den Blick über den eigenen Tellerrand und mehr Solidarität auch außerhalb der Peer-Group wagen?
Mit in-die-Tonne-greifen werdet Ihr am System nichts ändern, den Systemfehler, der in den durchschnittlichen Haushalten dafür sorgt, dass pro Nase Lebensmittel im Wert von 250 Euro bezahlt und weggeworfen werden, nicht abstellen können.
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