Wenn die Aggression die Depression maskiert…
Geschrieben am 8. April 2011 von KPBaumgardt
Statistisch gesehen, treten Depressionen bei Frauen zwei- bis dreimal häufiger auf als bei Männern.
Die Suizidrate spricht jedoch eine andere Sprache: Sie ist bei Männern dreimal höher als bei Frauen, und wer Suizid begeht, ist in der Regel depressiv. Erklären lässt sich das Paradox fast nur durch eine hohe Dunkelziffer von Depressionen bei Männern.
Ein Artikel in der Ärztezeitung weist auf diesen Zusammenhang hin.
Die Dunkelziffer kann am Ehesten dadurch erklärt werden, dass “depressive Männer ihre Krankheit geschickt verbergen, vermutet Privatdozentin Anne Maria Möller-Leimkühler von der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München.”
Frauen “verwenden eher internalisierende Bewältigungsstrategien wie
- Grübeln,
- Selbstbeschuldigung
- oder Angst.
Männer geraten jedoch vor allem dann in Stress,
- wenn sie ihren sozialen Status bedroht sehen,
- wenn … Macht, Dominanz, Kontrolle, Unverletzlichkeit oder Autonomie infrage gestellt werden.
Dies ist etwa
- bei beruflichen Problemen,
- bei schweren oder chronischen Krankheiten
- Trennungen vom Partner
der Fall. Männer reagieren … in solchen Situationen häufig mit externalisierenden Strategien:
- Aggressionen,
- Ärger,
- Wut,
- Alkoholmissbrauch.
Das männliche Selbstbild, so Möller-Leimkühler, duldet auch keine Angst, Unsicherheit und Schwäche. "Hilfe zu holen ist im Männlichkeitsstereotyp nicht vorgesehen, da das Eingeständnis von Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit einem Status- und Identitätsverlust gleichkäme", so die Psychiaterin. "Nach dem Prinzip ,Frauen suchen Hilfe, Männer sterben‘ erscheint der Suizid als letztes Mittel, den männlichen Selbstwert zu retten und die Illusion von Selbstbestimmung und Handlungsautonomie aufrecht zu erhalten."
Männer leiden intensiver als Frauen, etwa unter Trennungen:
Bei Männern ist das Depressions- und Suizidrisiko nach einer Trennung um ein Vielfaches höher als bei Frauen, …
Die depressiv motivierten Abwehrstrategien der Männer werden häufig nicht als Depressionen erkannt und “häufig (werden) Fehldiagnosen wie Alkoholabhängigkeit oder antisoziale Persönlichkeitsstörungen gestellt …” .
Möller-Leimkühler rät Ärzten daher, bei Männern stärker auf Stresssymptome als Zeichen einer Depression zu achten. Dies könne auch ein Weg zu einer besseren Suizidprävention sein. Gleichzeitig eigne sich die Fokussierung auf Stress dazu, Männern die Diagnose Depression nahe zu bringen.
Generell sollten Vertrauenspersonen vielleicht auch die Sorgen ihres Gegenübers ernst nehmen. Sicherlich ist (Suizid-) Prävention Aufgabe des Arztes, aber die Fälle, in denen “das Umfeld” von Sorgen und Nöten Anderer nichts wissen will, sind auch nicht gerade selten. Der Schwachsinn mit den “männlichen Rollenstereotypien” ist allerdings grandios – und manifestiert sich nicht nur in den Anforderungen, die Männer an sich stellen, sondern auch in den Erwartungen, die Frauen hegen.
Related posts:
- Depression: Vorbeugen mit der richtigen Ernährung
- Depression -> Adipositas -> Magenband?
- Depressionen – Grundkenntnisse
- Saukomisch – Wiener-Alltags-Sexismus – Sarahs Urpizza – #metoo
- Kein Verständnis für Depression
Abgelegt unter: Depression, Männergesundheit, Wissenschaft und Forschung | 2 Kommentare »
Wichtiger als wie Menschen mit anderen umgehen (oder nicht umgehen) ist wie sie mit sich selbst umgehen. Deshalb schaue ich zuerst immer auf die AUTOSUGGESTION der Betroffenen, die sich seit 35 Jahren erforsche.
Aggression, Depression etc. entwickeln sich immer so wie sich die Autosuggestion entwickelt. Das ist einer der Hauptgründe, warum man Betroffenen wie Helfern die Lektüre von Coués kleinem Buch über die Autosuggestion dringend anraten sollte. Coués enormen praktischen Erfolgen verdanken wir, dass die Autosuggestion eine weltberühmte Selbsthilfe-Methode wurde. So ein Erfolgsbeispiel missachtet man nicht, wenn man an Erfolg interessiert ist.
Nicht die Depression müssen wir verstehen sondern unsere Kräfte und die Chancen, die wir mit ihnen haben.
Ichj grüße freundlich.
Franz Josef Neffe
„Männer leiden intensiver als Frauen, etwa unter Trennungen“.
Da das Leiden des Mannes nicht erkannt wird, gibt es Fehldiagnosen, weitere Schuldzuschreibungen – etwa „Väter als Täter“ – reimt sich ja – und in der Folge ausbleibende Therapie, und vermehrte Selbstmorde.
So Frau Möller-Leimkühler .
Der Depression entströmende Kräfte und Chancen – kann ich nicht erkennen.
Wenn jemand unglücklich ist und ihm wird gesagt: „Hey, jetzt sei aber froh, weil Dein Unglück ist nur ein selbst eingeredetes!“ – der wird sich unverstanden fühlen 😉