Die Essstörung bei Kindern als Folge emotionaler Störung

“Kinder brauchen Märchen” ist ein relativ weit verbreitetes Motto, das auf den gleichnamigen Buchtitel von Bruno Bettelheim zurückgeht. Weniger bekannt ist vielleicht der Titel “Liebe allein genügt nicht”. Darin geht es zwar um ein spezielles Thema – die Erziehung emotional gestörter Kinder, aber dass mit Liebe allein Kinder nicht gedeihen, ist Alltagswissen, und jede Mutter und jeder Vater wird normalerweise Kinder in besonderer Weise im Auge behalten und beispielsweise aufpassen, dass sie nicht auf die heiße Herdplatte greifen, oder in die Steckdose, und entsprechende Sicherungen einbauen.

Trotzdem gibt es aber beispielsweise Heimkinder mit Verhaltensstörungen, mit denen die Eltern “einfach nicht mehr zurechtkommen…”

Dort spielt natürlich das Essen eine wichtige Rolle, und nicht alle Kinder können es genießen. Ansatzweise wird dies schon auf dem Cover ausgedrückt:

Im Internet in das Buch hineinzulesen, ist machbar.

Die vielfältigen mit dem Essen verbundenen Probleme darzustellen (nur zum Beispiel die Angst vor Vergiftung (S. 188), wäre ein eigenes Referat. den gestörten [Kindern] fehlt die Fähigkeit, wirklich zu genießen – und das Essen/die Ernährung erweist sich als “hervorragendes Mittel zur Sozialisierung”.

Allgemein interessant vielleicht ein kurzer Auszug zur Gier:

"Mangelerlebnisse in der frühen Kindheit scheinen in vieler Hinsicht zu Gier zu führen, wenn auch die Gier nach Essbarem ein besonders wichtiges und häufiges Symptom bei Kindern zu sein scheint, die die Folgen ihrer Mangelerlebnisse im Säuglingsalter noch nicht überwunden haben.
… Keith war ein Kind, das im Alter von drei Jahren von einer sehr reichen Familie adoptiert worden war. Die Sache ging von Anfang an schlecht, zum Teil, weil Keith … das Gefühl hatte, er sei nicht so sehr um seiner selbst willen adoptiert worden, sondern vielmehr als Gefährte für die einzige Tochter seiner neuen Eltern, … .
Bei diesen Kindern wirkte der Mangel, den sie vor der Adoption gelitten hatten, mit dem Gefühl zusammen, das, was ihre neuen Schwestern genössen, könnten sie nie erreichen: eigene Kinder der Adoptiveltern zu sein. Dies gab dem alten Gefühl Nahrung, nie genug zu bekommen, und verschlimmerte noch die Gier, die dieses Gefühl sowieso schon ausgelöst hatte." (S.174)

Wo weniger extreme Mangelgefühle nicht wirklich verarbeitet und überwunden werden, entsteht vielleicht beim Erwachsenen eine Mangelneurose – dass einige der Heimkinder zunächst nicht anders konnten, als ihre Umwelt zu tyrannisieren, darf wohl nicht verschwiegen werden; dieses Verhalten finden wir leider auch noch bei Erwachsenen…

Wer sich als Erwachsener einen “Coach” mietet, um bestimmte Dinge gemeinsam zu üben, bedient sich letztlich pädagogischer Konzepte:

"Was das Kind heute in Zusammenarbeit und unter Anleitung vollbringt, wird es morgen eigenständig ausführen können.
Und das bedeutet: Indem wir die Möglichkeiten eines Kindes in der Zusammenarbeit ermitteln, bestimmen wir das Gebiet der reifenden geistigen Funktionen, die im allernächsten Entwicklungsstadium sicherlich Früchte tragen und folglich zum realen geistigen Entwicklungsniveau des Kindes werden.
Wenn wir also untersuchen, wozu das Kind selbständig fähig ist, untersuchen wir den gestrigen Tag. Erkunden wir jedoch, was das Kind in Zusammenarbeit zu leisten vermag, dann ermitteln wir damit seine morgige Entwicklung," (Wygotski, L.: Ausgewählte Schriften, Band 2, S. 83, Köln, Pahl-Rugenstein 1987)

Lew W. Wygotski (1896-1934), aus: Kühn, Martin: "Liebe allein genügt nicht" – Notwenige Grundhaltung in der Arbeit mit Trauma-Kindern (Skript)

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2 Kommentare zu “Die Essstörung bei Kindern als Folge emotionaler Störung”

  1. Eine EMONTIONALE wie eine Ess- oder sonstige STÖRUNG funktioniert durch AUTOSUGGESTION, d.h. das grundlegende Programm dafür wird UNBEWUSST ständig erneuert.
    Ändern können wir die Entwicklung jederzeit durch eine ÄNDERUNG DER AUTOSUGGESTION. Dazu müssen wir – statt die gar nicht zuständigen bewussten Kräfte ständig zu überanstrengen – FEIN mit den FEINEN Kräften im UNBEWUSSTEN umgehen. Weltmeister und vor allem Weltlehrmeister in dieser Sparte ist immer noch E.Coué.
    Eine besonders effiziente Schnellhilfe ist die sog. Schlafsuggestion; Beispiele dazu im Coué Brief 9.
    Die tatsächlich zuständigen PERSÖNLICHKEITSkräfte sind zu stärken, zu achten und in Respekt zu lenken. Guten Erfolg!
    Franz Josef Neffe

  2. Nun, das sind komplizierte Fragen…

    Dass Störungen durch Autosuggestion “funktionieren”, ist mir jedenfalls schwer nachvollziehbar.

    Die Kinder, die von Bettelheim und seinen Mitarbeitern betreut wurden, litten ursächlich  an Mangelerlebnissen und in der Folge an fehlenden Strukturen; das Gefühl, nie genug zu bekommen, war gewissermaßen sogar berechtigt, und die gierigen Ansprüche waren groß bis riesengroß (was den Besitz und Konsum von Süßigkeiten betrifft, wie in einem Beispiel ausgeführt).

    Die Vielfalt der Störungen verbietet jedenfalls,  “alles über einen Kamm zu  scheren”, ein Entwicklungsdefizit läßt sich evtl. notdürftig übertünchen – sinnvoller, notwendiger ist hier aber (je nach Einzelfall) das Nachholen.


    Unbedingte, bedingungslose Liebe haben diese Kinder jedenfalls nicht erfahren, und die Sehnsucht oder Forderung danach kommt dem Wunsch, die mythischen “goldenen Zeitalter” zu reaktivieren, gleich. Nur bedingt und nur für etwas, oder wegen etwas wird man geliebt, verdient Liebe also im doppelten Sinne.

    Wahrscheinlich wirkt ein Gedanke wie “Nie bekomme ich das, was mir wirklich zusteht, und Andere werden immer bevorzugt, und niemand erkennt oder respektiert meinen wirklichen Wert” wie eine negative Autosuggestion.

    Andererseits gibt es unvermeidbare Mangelzustände und schicksalsbedingte, wo kein Klagen und Jammern hilft; wer als Erwachsener die “mangelhafte Vergangenheit” und die eigene Gier weiter agiert, leidet wohl an einer Mangelneurose (und macht damit gleichzeitig das eigene Umfeld krank; anders gesagt: Tyrannisiert es).

    Wer als Erwachsener die eigene Gier nicht beherrschen kann, mag sich einmal Gedanken machen, ob sie in Mangelerlebnissen der Kindheit begründet ist oder in als Kränkung empfundenen Mangelerlebnissen.

    Die pädagogische Haltung demgegenüber ist, verkürzt gesagt, in etwa: Entwicklung ist möglich, Hürden sind überwindbar, und darauf kann man vertrauen. Wenn das Gegenüber auch Zeit braucht [einer Methode gegenüber] Vertrauen zu entwickeln – wobei es auch auf die Beziehung zum (“)Lehrer(”) ankommt.

    Dass Lernziele über viele (kleine, aufeinander abgestimmte) Lernschritte erreicht werden, ist eine didaktische Binsenweisheit, dennoch weiß man oft nicht gleich, wo das eigentliche Problem liegt: Es gibt die Verhaltenseben (zum Beispiel die Anforderung, mit Messer, Gabel, Löffel vernünftig zu essen) einerseits und die Ebene des unverarbeiteten Traumas oder auch Mangels (und gelegentlich der Sucht) andererseits.

    Das Abnehmen, Hauptthema dieser Seiten, wird jedoch meist nur sehr unsystematisch und in verwirrender Widersprüchlichkeit “gelehrt”…

    Und auch über Autosuggestion oder Affirmation wird verwirrendes berichtet, unter Anderem auch, dass man seine Wünsche nur beim “Universum” einreichen solle (Oder war das ein anderes Kapitel?).

    Was da funktioniert, und was nicht – darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, aber man kann ja das eine oder Andere ausprobieren.

    Ich habe meine “Affirmation zum Zielgewicht” jedenfalls schon mehrfach korrigiert, und sie ist inzwischen fast fertig 😉

    In Ihrem Konzept ist „Nicht der Wille (…) der Antrieb unseres Handelns sondern die Vorstellungskraft.“

    Wenn der Jo-Jo-Effekt zur “Einsicht” “Ich kann nicht” führt, ist der Frust groß und die weitere Motivation schwach: Die/der Fettsüchtige fühlt sich (zu recht) krank.

    Karl Abraham hat an einem Punkt zumindest aber doch etwas Richtiges eröffnet:

    Die Krankheit kann zum narzisstischen Rückzug [der Libido] einer Person führen. In der Folge kommt es zur Überschätzung des eigenen Leids.

    Am Beispiel von gesundeten Mitpatienten, für die die Autosuggestion hilfreich gewesen ist, relativiert sich das eigene Leid,  der gedankliche Schwerpunkt verlagert sich weg vom Gewicht des eigenen Leides zur … Autosuggestion. “This is expressed in the description of the method as ‘self-mastery’.” (S. 313)

    Man könnte die Methode als “Trost und Auflösung von Minderwertigkeitsgefühlen” interpretieren, allerdings ist der Ausdruck “Minderwertigkeitskomplex” (aus gutem Grunde) heutzutage nicht mehr gebräuchlich.

    Dass und wie Abraham das Phänomen, das mal funktioniert und mal nicht, über die Massenpsychologie im Sinne Freuds Mythos von der Urhorde erklären wollte, ist allerdings problematisch.

    Konzepte der Gruppenpsychologie und Gruppendynamik – wenn es denn schon um Selbsthilfe geht – könnten da wesentlich weiter führen.

    Es hat auch schon Selbsthilfegruppen für Übergewichtige gegeben, in denen kein einziges Mitglied abgenommen hat. Die hatten keinen Plan. Dass sie mit der Portionsdiät erfolgreicher wären, nehme ich an, das sollte mal getestet und gefördert werden.

    Wenn es ein hilfreiches Mantra, eine hilfreiche Formel, Formulierung, Autosuggestion oder Affirmation gibt, sollte das auch auf den Tisch gelegt werden.

    Sich an das Unbewusste zu wenden, um dieses zu beeinflussen, könnte ein Weg sein.

    “COUEismus Coué, Apotheker in Nancy, gest. 1926. Der Titel seines Buches: Selbstbemeisterung durch bewußte Autosuggestion, gibt am klarsten einen Begriff seiner An- und Absichten. Ein weiterer Satz, dessen Richtigkeit sehr wünschenswert wäre, lautet: "Jede Krankheit kann fast ausnahmslos unter Einwirkung der Autosuggestion verschwinden. Der Kranke hat nur jeden Morgen und jeden Abend eintönig 20mal zu wiederholen: Mit jedem Tage geht es mir in jeder Hinsicht besser." Die Erfolge dieser Methode geben nach ihm selbst nur 3% Versager. Kinder empfiehlt Coué so zu heilen, daß man sich an das Bett des Schlafenden in etwa ein Meter Entfernung stellt und auch 20 mal "leise murmelnd" alles Wünschenswerte langsam hersagt. Der Erfolg sei vorzüglich. Die vom Autor aufgezählten Wunder erinnern nicht nur an die der Christian Science sondern auch direkt an die des Neuen Testamentes. Es erübrigt sich, einen Satz von Coué anzuführen, aus dem man entnehmen kann, daß er seine Patienten doch auch richtig einschätzen konnte: "Man grüble nie über Krankheiten, an denen man möglicherweise leiden könnte; hat man sie nicht wirklich, so ruft man sie evtl. künstlich hervor."” (Quelle)

    Was ja nur heißt, dass selbsterfüllende Prophezeiungen in dieser oder jener Richtung möglich sind; deshalb soll man ja auch nicht den Teufel an die Wand malen.

    “Mit jedem Tage geht es mir in jeder Hinsicht besser” – Wer mit diesem “Mantra” zurechtkommt, kann es ja anwenden.

    Wir können aber auch die Formel “Wo Es war, soll Ich werden” anwenden. Dann eine passende “Autosuggestion” entwickeln, die, indem sie das “erweiterte Ich” anspricht, gar nicht mehr den Charakter einer Einflüsterung hat, sondern mehr die Bekräftigung eines Beschlusses darstellt.

    Es geht ja letztlich um die Änderung der inneren Einstellung, und letztlich um die Änderung von Verhalten, zum Beispiel um die Tischsitten.

    “Im Stehen isst man nicht” ist eine sinnvolle Regel, die für Manche gar nicht (mehr) gilt.

    Mit

    “Ich esse achtsam drei Mahlzeiten am Tag und trinke mit Verstand”

    ist ein Aspekt dessen, was unter Diät zu verstehen ist, angesprochen. Die Affirmation zum Zielgewicht wird aber noch länger 😉

    Ferner sollte auch angesprochen werden, dass so eine Veränderung nicht weniger als eine Metamorphose darstellt, einen für den Einzelnen unter Umständen enormen Entwicklungsschritt.

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