Kinder schützen, Kindern nützen – Hauptgericht Gemüse
Geschrieben am 3. Januar 2018 von KPBaumgardt
Dass ein Artikel, der an der üblichen Werbung kratzt, die Kinder zum Süßkram-naschen animiert, sehr nützlich ist im Sinne von „die Verhältnisse ändernd“ – glaubt kein Mensch. Allzu häufig werden irrige Meinungen über kindliches Essen verbreitet, die Verbesserungen unwahrscheinlich werden lassen, denn wenn ich für die Lösung des Problems „kindliche Adipositas“ zuerst die Werbung für „Kinder-Lebensmittel“ verbieten muss,
brauche ich andere politische Entscheidungen, als mit dem gegebenen „Personal“ machbar sind.
Schon die Sprache, in der das Problem beschrieben wird, führt zu Denkfehlern:
„Der wichtigste Grund für das Übergewichtsproblem: Kinder ernähren sich falsch. Sie essen zu viele Süßigkeiten, fettige Snacks und Fleisch, trinken zu viel Limonade; Obst und Gemüse kommen dagegen zu kurz.“
Sicher machen Kinder etwas, tun etwas – sie atmen, schlafen, essen, trinken, lächenln, greifen zu, schauen, kommunizieren, lernen, weinen, verdauen – sind „Zentrum von Aktivität“.
Genauso oder mehr sind sie passives Objekt von Aktivitäten der Umwelt: Sie werden gestillt, gefüttert, gewiegt, gewickelt, gekleidet, gebadet, gehalten, hingelegt &&&…
Wenn Kinder nach Äpfeln greifen, machen sie nichts falsch – das ist aber schon der zweite Schritt: Zunächst wird ihnen etwas angeboten, gereicht, vorgeschlagen. Etwas zum Saugen, später etwas vom Löffel. Es gibt ein vorgegebenes Angebot, eine Auswahl viellleicht auch, die nicht vom Kind, sondern von dessen Umwelt gestaltet wird – deshalb ist die Aussage „Kinder ernähren sich falsch…“ selbst falsch, unpräzise, mangelhaft, verbesserungsbedürftig.
Gar nicht so selten ist der Fall, dass Kinder ihrem Schicksal überlassen werden: Das wurde bereits im alten Testament beschrieben; so trieb Moses aurf dem Fluss, um gerettet zu werden oder auch nicht.
Später hat er die 10 Gebote abgeholt und so die eine oder andere Kultur geprägt mit Regeln, die in einer Gegend aufgestellt worden sind, die heute kocht und brodelt.
Um die Schuld der „Lebensmittelindustrie“ an unserer gesundheitlich-gesellschaftlichen Misere auszumerzen, würde er heute sicher 11 Gebote notieren –
wir sehen jedenfalls, dass der kundige Führer auch Zeiten der Machtlosigkeit erlebt hatte, und notieren im Hintergrund, dass die Damen, die ihn gerettet hatten, vom heutigen Standpunkt als „heidnisch“ verstanden werden, was uns, da wir keinem „auserwählten Volk“ angehören, aber nichts ausmacht.
Dass das ausgesetzte Kind später ganz außerordentliche Dinge im Dienste der Gemeinschaft „begeht“, kommt aber auch in unserer „germanischen“ Mythologie, in unseren Märchen vor – nur war dort das Übermaß beim Nahrungsangebot doch seltener und vegetarisch „gestrickt“, etwa im Märchen vom süßen Brei…
Hier und heute hat der Wegfall religiöser Regulierung des Essens zu einem „Regel-Vakuum“ geführt, so dass ein Tweet wie dieser auftauchen kann:
We’re apparently not making much progress on the reduce-our-meat-consumption front: „Veggies May Be Healthier, But In 2018, Americans Will Eat A Record Amount Of Meat“
Für die Ernährung der globalen Bevölkerung ist es zwar nicht vorteilhaft, wenn die reichen Nationen sich (allzu) fleischlich ernähren, weil von der großen „Kraft“, der Menge an Pflanzennahrung, mit der die Schlachttiere gemästet werden, vieles „verbrennt“, womit Menschen satt werden könnten.
Auch die Umwelt-Auswirkungen zu großer Tierbestände sind bekannt.
Die Entwicklung der Warenströme hat dazu geführt, dass „Otto Normalverbraucher“ selbst zu einem Rädchen in einem gigantischen Mastbetrieb verkommen ist, sich brav im Supermarkt seine eingeschweißten Portionen „Turbofleisch“ abholt, um sie zu verbraten oder aufzubacken. Was soll man denn auch mit der 1.200-Gramm (Sonder-Angebots-) Packung „Hähnchenschenkel mit Rückenstück“ anstellen, wenn nicht alsbald verbrauchen?
Es ist relativ kompliziert geworden, seinen Fleischeinkauf individuell zu dosieren – unter dem Stichwort Kosteneffizienz im Einzelhandel hat sich ein unausgesprochener Zwang zum Mehrkonsum eingeschlichen.
Fleischarm, aber nicht arm
Vor dem Kochen, wenn es denn privat noch stattfindet, steht die Idee, eine Vorstellung, ein Rezept. In diesem Zusammenhang taucht nun das Motto „Gemüse als Hauptgericht“ auf:
Auf der Verlagsseite zum Buch „Gemüse als Hauptgericht – Manchmal sogar mit Fleisch oder Fisch als Beilage“ von Anne-Katrin Weber, mit Photos von Wolfgang Schardt,
ISBN 978-3-95453-142-4
1. Auflage 2017, 192 Seiten, 78 Fotos, erschienen 22.09.2017 zu 29,95 EUR(D) inkl. 7% MwSt., 30,80 EUR(A)
läßt sich prächtig stöbern – die Aufteilung der Rezepte nach Jahreszeiten erscheint sinnvoll, die Rezepte sind vielseitig, aber nicht unmöglich kompliziert:
„Ob das alltagstaugliche 20-Minuten-Gericht oder das Verwöhnrezept für Gäste: Köstlich sind die über 80 Rezepte in jedem Fall! Neben den abwechslungsreichen Gerichten ist das Buch prall gefüllt mit Wissenswertem rund ums Gemüse. Wie wäre es mit frühlingshaftem Spargel mit weißem Bohnenpüree, Speck und Salbei? Oder einem mediterranen Auberginen-Mozzarella-Burger oder einer knusprigen Tomatentarte? Mit herbstlichen Rote-Bete-Gnocchi oder gefüllten Nudelrollen mit Kürbis und Linsen geht es weiter. Schön deftig und wärmend wird es im Winter bei Borschtsch mit Ente oder Krautwickeln mit Maronenfüllung.“
Wir werden sehen, ob diese Rezepte im Trend liegen, und wohin der Trend „weniger Fleisch essen“ führen wird. Es geht ja um die Balance von Menge und Qualität, und gerade bei „vegan“ und „vegetarisch“ kommt es auf die gekonnte Zubereitung an.
Beim Fleisch erinnere ich mich allzu gut an die Klagen meiner Mutter, dass von einem Schnitzel, das man in die Pfanne legt, nach dem Braten nur noch die Hälfte übrig bleibt – das war in den 60-er, 70-er Jahren, als die Landwirtschaft anfing, so richtig modern zu werden, als die Kleinbauern aufhörten, Hühner zu halten, und manche Rindvieh-Halter begannen, Brauereiabfälle beizufüttern. Vielleicht hatte der Anfang vom Abstieg auch mit dem Ende der Milchflasche, mit dem Molkereiensterben angefangen, als man anfing, Milch und Butter auf frischen Bundesautobahnen von einem Ende der Republik ans andere zu transportieren…
Wurzelgemüse – zurück zu den Wurzeln!
Der Eintopf, der fürs Röstaroma durch die Pfanne ging
Die Menge der Zutaten
- Kartoffel
- Süßkartoffel
- lila Katoffel
- Pastinake
- Möhre
- Sellerie
- Nürnberger Würstchen
war für die Zubereitung in der Pfanne zu groß – aber angebraten sollten sie schon werden, wenn auch nur leicht. Insofern kamen sie, feingewürfelt und portionsweise, jeweils mit Olivenöl angebraten, aus der Pfanne in einen größeren Topf mit aufzutauender Fertig-Fleischbrühe von sattem Geschmack – an deren Geschmacksbildung beteiligt waren Hühnerknochen, Suppengemüse, Ingwer, Knoblauch…
Einmal in der siedenden Brühe, braucht das Ganze kaum noch eine Viertelstunde, weil (hier) alles klein gewürfelt war. Die Stückchen gedünsteter Hühnerbrust wäre auch entbehrlich gewesen, einmal auf dem Teller, kam zum Eintopf noch ein guter Löffel Hanföl – auch wegen des Geschmacks, wegen der günstigen Ölsäure-Verteilung, und auch, um etwas gegen die Raps-Monokulturen auf den umgebenden Äckern zu tun…
Dieser „Pfannen-Transit-Eintopf“ war gerade -zufällig- auf dem Speicherchip der Kamera; was demnächst kommen soll, sind die gefüllten Nudelrollen mit Kürbis und Linsen aus dem Buch „Gemüse als Hauptgericht“.
Um noch einmal den Bezug zu dem, was für Kinder nützlich sein kann, herzustellen, stellen wir uns doch mal diese Szene vor:
Ein Mann steht unschlüssig in der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts. Lässt den Blick über sorgsam drapierte Chicoree, Auberginen und Rucola schweifen. Läuft weiter zum Kühlregal, betrachtet die Tofu-Variationen mit gebührendem Abstand und skeptischem Blick. Schließlich schiebt er den Einkaufswagen zur Kühltruhe, zieht eine Packung tiefgefrorene panierte Schnitzel heraus, dazu eine Tüte Kartoffelecken – und geht zur Kasse.
Wenn dieser Mann, der immerhin weiß, wie man einen Backofen einschaltet, Kinder beköstigt, so werden die auch Vorpaniertes und -frittiertes bekommen, wahrscheinlich aber kein Gemüse. In dieser Situation zu sagen: „Die Kinder ernähren sich falsch“ ist doch überaus eindimensional und ganz und gar nicht geeignet, etwas zur Veränderung der Situation zu entwickeln!
Pädagogisch sinnvoll ist, das, was Kinder richtig machen, zu betonen (und lieber erst gar nicht zu belohnen – davon verstehen die wenigsten Erwachsenen genug). Immer und immer auf Fehler hinzuweisen, kann das Gefühl, nicht gut genug zu sein, erzeugen und verstärken, so erzeugt man Insuffizienzgefühle, und mit allzu wenig Selbstbewusstsein und -Sicherheit wird „das Kind“ leicht manipulierbar.
Kinder können auch nicht dem „Mechanismus“ entrinnen, dass sie sich mit Erwachsenen identifizieren müssen. Deshalb ist es kein schlechter Entschluss, die besagte „Packung tiefgefrorene panierte Schnitzel“ in der Tiefkühlung zu belassen und auch im Kindergarten die Fischstäbchen „unter den Tisch fallen zu lassen“ – sollen doch die „Alten“ mit gutem Beispiel vorangehen.
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