Frei von und zu Diäten: Unsere Diätfreiheit

Die Essensfalle als Parallele zur Autofalle

„Fertig komponiertes Puddingpulver aus dem Tütchen ist konkurrenzlos einfach in der Zubereitung“ wurde uns suggeriert, bis wir den Slogan als Glaubenssatz verinnerlicht hatten und jetzt mit dem vorgekochten Pudding aus der Kühltetheke das nächste Produkt haben, das wir gewohnheitsmäßig in den Einkaufswagen legen sollen.

Doch dann meldete sich die Realität mit mehreren Krisen: Klima, Luft, Gesundheit, Landschaft, Wasser, Menschlichkeit, Demokratie – alles leidet mittlerweile massiv unter dem schönen Traum, der sich so gar nicht erfüllt, sondern platzt. Das kann so nicht weitergehen. Aber was tun? Damit kommen wir zum Kern.

Wir sitzen in der Falle. Die Autofalle ist nur ein Beispiel: Wir können gar nicht mehr so einfach aussteigen.

„Wir sind das so gewohnt, das Auto, wir kennen Straßen nur mit Autos, wir kennen nur Geschwindigkeit, wir haben die Gesetze so um das Auto gebaut, dass wir völlig veränderungsunfähig und handlungsunfähig sind.

Wir können gar nicht auf den umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehr umsteigen. Wir kennen die Öffentlichen meistens gar nicht, wir nutzen sie nicht, wir hören, dass es dort schlecht läuft, dass wenig zusammenpasst, wir fahren mit dem Auto an Bushaltestellen vorbei und sind froh, dass wir uns das nicht antun müssen.“

Die Essensfalle funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip: Sie lockt mit Genuss, Bequemlichkeit und schnellen Lösungen, führt jedoch häufig zu unbewusstem Über-Konsum, gesundheitlichen Problemen und einer Entfremdung von unseren natürlichen Bedürfnissen. Beide Fallen zeigen, wie moderne Annehmlichkeiten uns verführen – und wie wichtig es ist, einen bewussten Ausstieg zu finden.

Dass die Autos Zebrastreifen wegradieren, ist ziemlich sinnbildlich. Die Liebe zum Auto beruht großenteils auf dem Stolz, sich als „Verkehrsteilnehmer“ damit präsentieren zu können.

 

Die Tücken der Ernährungsratschläge

Die Frage der Mobilität umfasst mehr als den Transport von A nach B, das sollte hier aber ein Beispiel für eine verfahrene Situation sein. Bei der Ernährung gibt es einen vergleichbar großen Klärungsbedarf.

So hätten wir beispielsweise den Abnehmtipp „Essen Sie nur, wenn Sie Hunger haben“. Das heißt aber nicht automatisch: „Essen Sie immer (und sofort), wenn Sie Hunger haben!“ Manchmal bedeutet es auch „Essen Sie nur, als hätten Sie immer Hunger“ oder „Hungern Sie ordentlich, bis dann die Dämme brechen“.

Wenn man nicht richtig zentriert ist, wenn man zu viel nachdenkt, wenn die Gedanken ins Stolpern geraten angesichts zu vieler widersprüchlicher Ideen und Strebungen, kann so ein Gedankenchaos entstehen. Doch aufklärerische Hinweise, etwa dass „metabolische Risiken“ wie hoher Blutdruck, hohe Nüchtern-Blutzuckerwerte und ein hoher BMI weiterhin die wirksamsten Lebenszeitverkürzer sein werden, führen nicht unmittelbar zu den erforderlichen Lebensstilveränderungen.

Psychologische Faktoren und Therapieprobleme

Die „Macht der Gewohnheit“ hat hierbei einen Doppelcharakter: Gute Gewohnheiten, wie regelmäßige Mahlzeiten mit Bedacht auf Bedarfsdeckung und gesunde Zubereitung, sind hilfreich.
Andererseits können Beeinflussbarkeit und Launenhaftigkeit zu einem Schlingerkurs verleiten, der sogar vom Ziel wegführt.

Eine Adipositas-Diagnose erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein breites Spektrum psychischer Störungen in allen Altersgruppen signifikant – darunter Depressionen, Nikotinsucht, Psychosen, Angstzustände, Ess- und Persönlichkeitsstörungen. Eine dementsprechende Psychotherapie scheint angebracht, ist aber nicht unmittelbar realisierbar, denn es gibt ein riesiges Defizit in der Versorgung der Betroffenen, das nicht kleinzuschweigen ist, auch wenn es den Anschein hat, dass hier mal wieder ein gesellschaftliches Problem totgeschwiegen wird.

KI in der Psychotherapie und Ernährungsberatung

Die Möglichkeiten der Psychotherapie sind auch dadurch begrenzt, dass die Zahl der TherapeutInnen begrenzt ist. In den USA denkt man nun über die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die Therapie nach – wahrscheinlich mit dem Hintergedanken „Effizienzsteigerung“, motiviert durch High-Tech-Firmen, die es darauf anlegen, die Überlegenheit der technischen über die humane Intelligenz baldmöglichst herzustellen.

Verhaltenstherapie im Sinne der kontrollierten Ernährung per Handy-App hat sich hierzulande auch ohne große Diskussion in den krankenkassenfinanzierten Markt eingeschlichen. Chatbots werden bereits in die klinische Praxis integriert. Sie können  nach der Stimmung fragen, Gespräche führen, Übungen anleiten – hierzulande sollen Therapie-Bots aber nicht autonom lernen, um Haftungsfragen zu vermeiden.

Sicherlich wird bereits über Chatbots nachgedacht, die Depressionen, Suizidrisiken und andere Probleme auf eine gesprächige und empathische Weise einschätzen, bewerten und andeutungsweise auch therapieren können. Immer mehr Therapeuten nutzen auch KI, um ihre Sitzungsnotizen in Schriftform zu überführen. Dabei kommt es auf Blickwinkel und Filter an – ein Kapitel für sich, in dem auch Therapiefehler entdeckt werden könnten, die heute noch unentdeckt bleiben.

 

Doch der Einsatz von KI in der Therapie birgt Risiken: Die Vertraulichkeit und Diskretion des therapeutischen Settings könnte darunter leiden. Wenn Patienten das Gefühl haben, dass ihre Gespräche nicht wirklich ihnen gehören, fehlt ein therapeutisch wirksamer Faktor. TherpeutInnen können sich unbehaglich fühlen, wenn sie das Gefühl bekommen, unter permanenter Supervision zu stehen.

Fazit: Menschlichkeit und Humor bewahren

Es ist vorhersehbar, dass KI in der Therapie und gerade in der Adipositasarbeit zunehmend alltäglich wird. Der Faktor Mensch, allgemein die Menschlichkeit, aber auch der Humor halten das Geschehen in Gang.

„Warum hat die KI eine Diät-App entwickelt?
Weil sie gemerkt hat, dass Menschen mehr Kalorien zählen als Argumente!“

Ein guter Witz, doch der Einsatz von zu viel „Abnehmhumor“ könnte übrigens kontraproduktiv sein.

 

In den nächsten Folgen werden wir uns genauer mit der Frage beschäftigen, wie man sich aus der Essensfalle befreien kann. Welche Strategien helfen wirklich, gesunde Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln, und wie kann man sich gegen Manipulationen der Lebensmittelindustrie wappnen? Wir beleuchten alltagstaugliche Lösungen und werfen einen kritischen Blick auf gängige Ernährungstrends.

Bei der Befreiung aus der Essenfalle kommen noch solche Fragen hinzu: Gibt es verdrängte Wünsche und Beziehungswünsche, die mit „Essen“ kompensiert werden? Welche Rolle spielen Frustrationen, die „Schmerzen“ verursachen, die „betäubt“ werden?
Und außerdem: Wer braucht welche Therapie, und kann man sich auch selbst auf einen „Abnehmkurs“ begeben, welche Rolle könnte eine Selbsthilfegruppe oder eine Selbsterfahrungsgruppe spielen?

 

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