„It’s now or never!“ – Dürre, Brauchtumstausch, „Kulturkampf“, Fairtrade, Bürger-Rat
Geschrieben am 18. Juni 2023 von KPBaumgardt
Ich weiß gar nicht, warum sich mehr und mehr Leute über alles mögliche aufregen – während doch eigentlich alles ganz schön ist.
Es kann ja sein, dass hinter den Wolken ein „Jetstream“ erschlafft, dass die Ozeane sich ungebührlich erwärmen, und dass – um mal nicht die ablaufende Uhr, die seit 20 Jahren auf kurz vor zwölf steht, als grausames Bild zu wählen – das Motto der Stunde ist:
„It’s now or never!“
Die schöne Schlagzeile ist halt auch schon ein Jahr alt, das „Jetzt“ wird zum dehnbaren Begriff, die nachhaltigkeitspolitische Parole wird zur Schnulze – Danke, BBC!
„“Du irrst, mein lieber, nicht die Zeit vergeht. Wir vergehen„, sagte der Philosoph André Glucksmann einmal am Rande eines Vortrags in Berlin.“
Wahrscheinlich gäbe es ohne Zeit keine Bewegung, keine Luft- und Wasserströmung, und vielleicht auch keine Schwerkraft. Dabei denke ich an Flüsse, die noch (!) von Gletschern gespeist werden, und an landwirtschaftliche Systeme, die, wie sie sind, von Bewässerung abhängen.
Dazu finden wir Schlagzeilen wie „Dürre in Brandenburg“ – „Dürre in Spanien“ zuhauf, aber keine gemeinfreien Bilder zum Thema. Ein ARTE-Film will der Dürre auf den Grund gehen, kann sich aber nicht zwischen „die Katastrophe galoppiert voran“ und „Katastrophe jetzt abwenden“ entscheiden.
Dass riesige Olivenplantagen künstlich bewässert werden, zeigt man, ohne zu sagen, dass es alte Olivensorten mit weniger Wasseransprüchen, aber auch niedrigerem Ertrag gibt, genauer gesagt: dort gab.
Definitiv fehlt das Gesamtkonzept, und zwar das grenzüberschreitende. Ist in einer Äußerung wie der folgenden die Angst vor Veränderungen zu spüren?
„Alles was das Leben in Deutschland ausmacht hat ausgedient, alles wird ersetzt, verboten und ausgetauscht, unsere Sprache, Kultur und Brauchtum, alles, auch der Bevölkerungsaustausch ist in vollem Gange, Grüne machens möglich.“
Je nun – werter besorgter Mitbürger: Die Zeiten, als die Emanze bei dem/der/den Ober*innen die Salzstreuerin bestellte, sind vorbei, der Sprachkrampf ist eskaliert. Auch das Brauchtum, z. B. beim Anblick einer Eisdiele sich ein Tütchen Eis zu gönnen, ist häufig dem „inflationären Rotstift“ zum Opfer gefallen.
„Die Familie“ ist auch nicht mehr, was sie mal war.
Im sozialen Leben gibt es Privilegierte und Benachteiligte, Unterprivilegierte, Vernachlässigte, Schlechtergestellte, Minderbemittelte – deutlich sichtbar wird damit, dass die Habenichtse in der Mehrheit sind und die Unzufriedenen sowieso.
Vom Futterneid und populistischen Agitatoren getrieben, geht der „Kulturkampf“ um Currywurstzipfel und Fleischverzehrsempfehlungen in die nächsten Runden, wenn wir diesen Krampf und Mist mitmachen.
Der Ausdruck „Kulturkampf“ angesichts einer unausgegorenen „Empfehlung“ pseudolegitimierter Fachleute und deren Missinterpretation durch Möchtegern-Brandstifter war ziemlich daneben.
Ein eher unbekannter, ergo praktisch undefinierter Begriff, der ursprünglich mit Bismarck vs. Kirche zu tun hatte, wird jetzt so verwendet, dass jeder ihn als jeweilige Projektionsfläche „nutzt“. „Kulturkampf“ hat doch auch Anklänge an „Kulturrevolution“, aufgepetschte Menschenmassen, die Spatzen vergiften und Brillenträger ins Umerziehungslager schicken?
„Bevölkerungsaustausch“ ist aber völlig übertrieben – der kann auch noch passieren, wenn Deutsche in nennenswertem Umfang umziehen, in die Elfenbeinküste:
Schmutzige Schokolade
Die meisten Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind aus der Elfenbeinküste! Von dort kommen 90% des Kakaos, mit dem „unsere“ Schokolade angerührt wird. Beim Kakaoanbau werden auch Kindersklaven benutzt; Kinder im Alter ab 7 Jahren arbeiten für unser „süßes Leben“.
Den Film „Schmutzige Schokolade“ könnt Ihr Euch gerne ansehen; Schokolade kaufen – geht auch mit gutem Gewissen, wenn es „Fair-Trade“-Ware ist. Bei der Marke „Fairafrique“ wird die Schokolade gleich vor Ort hergestellt und verpackt – damit bleibt diese Wertschöpfung dort, wo sie eigentlich auch hingehört.
Ich meine, wir hätten einst einen Minister für Entwicklungshilfe gehabt, der davon sprach, die Kaffeesteuer auf „Fairen Kaffee“ wegfallen zu lassen – aber manchmal trügt die Erinnerung auch. Es gibt hier jedenfalls noch viel zu tun…
Zu dieser Zwiebelsuppe möchte ich nur anmerken, dass es zur energiefressenden Zubereitung im Backofen durchaus brauchbare Alternativen gibt.
Bürgerrat Ernährung
Der Bundestag hat einen Bürgerrat zum Thema
„Ernährung im Wandel:
Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“
einberufen. Dieser soll den Blick auf den Ernährungsalltag richten und die Perspektive „der“ Bürger*innen in die politische Debatte einbringen.
„Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger in der Ernährungspolitik vom Staat? Wo soll er aktiv werden und wo nicht? Was soll der Staat ermöglichen oder erleichtern?“
Auf die Handlungsempfehlungen des Bürgerrats, die dem Bundestag bis zum 29. Februar 2024 vorliegen sollen, dürfen wir einigermaßen gespannt sein. Ob die Bürgerratsmitglieder dazu kommen, die Biolebensmittelgrundversorgung vorzuschlagen, ob sie dazu kommen, eigene Vorstellungen zu entwickeln oder ob sie vorhandene Reformideen adaptieren, steht noch in den Sternen.
Ob wir eigentlich eine engagierte „Verbraucherbewegung“ brauchen, die sich auch für nachhaltige und gesunde Ernährung engagiert, ist eine andere Frage.
Sicher macht es einen Unterschied, ob der Berliner Rat folgert, „man könnte über weniger Verpackungsmüll durch mehr Milchtankstellen nachdenken“, oder ob die Supermarktkunden massenhaft das lokale Milchsystem einfordern und die Forderung durch einen zeitweisen Boykott von Milch in Pappverpackung unterstreichen. Doch sind die Konsumenten, wenn sie auf dem Konsumtrip sind, nicht zu bremsen: Die Gewichtszunahme nach einer Woche Kreuzfahrt beträgt durchschnittlich zwei bis drei Kilo, vermutlich Körperfett und keine Muskeln.
Vermutlich wird eine entspannte Rats-Moderation die naheliegende, vermeintliche Lösung, dann doch generell auf touristische Kreuzfahrten zu verzichten, aus pragmatischen Gründen in den Papierkorb oder ein virtuelles Abklingbecken verschieben.
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