Fünf Dübel für füllige Rüblinge – Ernährungsreform

„Die LeserInnen wollen glasklare Informationen, wollen hören, was sie tun und kaufen sollen, Orientierung! Dabei sind Blogs sehr attraktive Karrieresprungbretter. Sie müssen nur richtig genutzt werden…“

Das Blog, das diese Weisheiten verbreitet hatte, produziert inzwischen  eine lupenreine Fehlermeldung: „404 – die Seite existiert nicht“.  Sinngemäß: „Das Versprechen mit dem Karrieresprungbrett war doch nur Spaß!“
Fakt ist, dass es in der Marktwirtschaft ums Vermarkten geht, und dabei müsste es teuer zugehen, also eigentlich nicht nach dem Motto: „Auch mit kleineren Resten lässt sich noch etwas machen“:

Spaghetti, Avocado, schwarzer Pfeffer, Zitronensaft…

Man kann ohne aufwendige Statistiken auch kaum wissen, was die Leser.innen wollen – wahrtscheinlich geht es um Unterhaltung. Wenn ich dann fünfmal „Ü“ in der Überschrift herüberbringe, überschreitet diese Übung  nichts, knüpft übrigens nur an den vorherigen Artikel an.

Darin waren Pilze ein Haupt-Thema, die kann man mit Hilfe von präparierten Dübeln züchten, und wirklich: Es gibt  unter der Bezeichnung „Rübling“ etliche Pilze – doch gezüchtet werden Andere.

Was dann schließlich tatsächlich gegessen wird, hängt von häufig irrationalen Entscheidungen ab, beim Trüffel begnügt man sich mit wenig vom teuren Aromaspender, beim Fleisch wird schnell sein Prestigewert zum Kriterium – „richtige Männer“ laden das „Weibchen“ ein, jedoch nicht zu vegetarischer Kost:

„A man who is comfortable with a woman paying his bills is a vegetable“ — Lilian Afegbai–

Lilians Äußerung über („falsche“) Männer, die sich einladen ließen, weil sie Gemüse sind, beinhaltet auch eine Vorstellung von „richtigen Männern“, ein System von Rollenentwürfen und sinnlosen Nebenkriegsschauplätzen: Sie ist Sternchen bei „Big Brother“, das auch in Afrika exerziert wird beziehungsweise Rollen- und Handlungsmuster vermittelt, Gehirnwäsche betreibt.

 

Was uns die Unterhaltungsindustrie, deren Disneysierung, noch alles bringen oder „netflixen“ wird, ist nicht absehbar und kaum aufzuhalten – heute drückt sich das Bedürfnis, wahrgenommen zu werden, verstärkt in den Medien aus, und das damit einhergehende Überangebot macht übersatt.

Das Filmmaterial auf YouTube scheint unendlich zu sein, und die YouTuber scheinen unausstehlich – aber das ist Geschmackssache. Die zur Schau gestellte „künstliche Aufregung“ findet ihr Millionenpublikum. Doch Letzteres findet nicht zu seinem Weg, das schlimme System zu verändern.

Dunklen Wolken und trüben Gedanken ist gemeinsam, dass sie vorüberziehen – man soll sie nicht festhalten, höchstens zur Kenntnis nehmen, notieren 😉

Die Menschen-verändernden und Menschen-geänderten Verhältnisse wechseln ständig, in sozial-gesellschaftlicher und „neuerdings“ auch klimatischer Hinsicht, da kann natürlich mal eine Pandemie hinzukommen, und parallel noch eine, wie ein NDR-Kurzbericht zu „Adipositas und Corona“ zeigt, doch  löst so ein lösbares Problem keinen Aufschrei aus: Erfahrungen der Zwecklosigkeit haben uns mürbe gemacht, und

Die Gleichgültigkeit im Umgang miteinander beruht auf der Haltung, wonach jeder sich selbst der Nächste ist – zwar geht nichts ohne Gemeinwesen, darin sind allerdings Manche gemein. Der Egoismus, der sich im Ausdruck oder Begriff „Ichling“ widerspiegelt,  entspricht unserem „Zeitalter des Narzissmus“ – Rücksicht, Caring und Fürsorge passen da nicht so echt, finden aber in der „als-ob-Variante“, ritualisiert und  eher unecht, statt.

Nun sollen „Leitlinien“ zur Adipositas-Kur entwickelt werden, ein strukturiertes Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm = DMP) soll herbeigeholt werden, muss leider erst noch geschrieben werden, obwohl es für das altbekannte, eingewachsene  Problem schon längst fertig sein müsste.  Ob wir dann auch Klartext hören und lesen?

Ein Beispiel für Klartext (?): „Wenn Sie nicht vegetarisch leben wollen oder können, gönnen Sie sich und Ihrer Familie halt einmal im (Halb-)Jahr Geflügel, aber nicht so zerlegtes, fragmentiertes, vor allem keine 10 Flügel oder vier Beine von unterschiedlichen  Tieren. „Schmoren“ ohne weitere Fettzugabe  ist hierbei die beste Art der Zubereitung. Genießen Sie den Vogel, der über einige Tage Fleisch liefert, ohne sich ein schlechtes Gewissen machen zu lassen.“

Wir sehen, mit den allgemeingültigen Leitlinien wird es schwierig.  Man sollte hier ein dynamisches Konzept, das immer noch verbessert werden muss, nichts von Anfang an endgültiges entwickeln:

„Die Evolution aber kann vorher auch nicht sagen, wie sie sich den Bedingungen da draußen anpassen wird.“

sagte der Designer, dem der Auftraggeber nicht zugestehen wollte, dass die „endgültige Form“ imd Funktion des bestellten Produkts sich erst im Gebrauch entwickeln werde.

Wenn es da einen Zusammenhang und einen Handlungsbedarf gibt, lässt sich die bornierte „Dis-Empathie“ aus einem Kommentar deutlich herauslesen:

„Und endlich eine Aufforderung an die ganzen Fettleibigen hierzulande endlich abzunehmen. Wenn nicht sich selbst zuliebe, dann doch mindestens für die Solidargemeinschaft (die ja zur Zeit gerne beschworen wird) und leere Krankenhäuser!“

Ansonst suggeriert der Artikel, dass Alles in Butter wäre: Der Hausarzt könne auf  Therapiemöglichkeiten oder Experten verweisen (was er aber nicht kann – und wie oft hat er nicht einmal eine Waage in der Praxis?), und das Angebot einer Ernährungsberatung sei häufig (teilweise) Krankenkassen-„Leistung“. Das ist definitiv zu wenig!

 

Beobachtungsstudien können dabei helfen, abzuschätzen, welche Auswirkungen Ernährungsentscheidungen auf unsere langfristige Gesundheit haben. Korrelationen von Konsum und Gewicht sind zwar immer noch kein Beweis, aber bei geeigneter, quasi lückenloser Datenlage überaus aussagekräftig: Der Lebensmittelkonsum kann u. A. schon beim Einkaufen registriert werden, das Gewicht beim betreuenden Berater. Diese Daten könnten natürlich computerisiert  ausgewertet werden – mit Fakten statt mit Schätzungen kann man sinnvolle Maßnahmen in die Wege leiten – und wiederum laufend prüfen, überwachen  und  verbessern.

Bis die Bestrebungen, Kinder vor der Manipulation durch die  Lebensmittelindustrie zu bewahren, Wirkung zeigen, fließt noch viel Wasser den Rhein herunter – wenn er nicht vertrocknet…
Schließlich suggeriert etwa das Nestle-Logo schon behütetet-Sein, Geborgenheit, Versorgung. Vorschlag: Das Michelin-Logo wird sozialisiert, und alle Fast-Food-Hersteller müssen es benutzen 😉

 

Anlass zur Hoffnung ergibt sich aus einer Studie, die bestätigt, dass kleine („bescheidene“), aber nachhaltige Veränderungen der Schlüssel zum Sieg über die Kinder-Adipositas sind.

Entscheidend ist, dass wir Familien und junge Menschen unterstützen und gleichzeitig die strukturellen, wirtschaftlichen und physischen Ursachen von Fettleibigkeit ansprechen. Bei den psychischen Ursachen wird es darum gehen, sie zumindest zu verstehen.

Bei Kindern und Jugendlichen sind die bekannten pädagogischen Aspekte, etwa

  • der Ansatz, Vokabeln „einzuschleifen“,
  • kleinschrittig-detailliertes Lernen, wie bei der Darstellung der „Ermittlung des Bruttoinlandsprodukts in 100 Schritten,
  • (kritische) Quellenarbeit
  • eigenständige Bearbeitung eines (Sub-) Themas

möglicherweise noch wirksam. und die Rückbesinnung auf kulinarische Tradition kann sinnvoll sein, wenn es darum geht, den Sinn solcher Speisen zu entschlüseln. Was passt, wie zubereitet, womit zusammen in Hinblick auf Bekömmlichkeit, Sättigung, Wohlgeschmack und Bedürfnisbefriedigung?

Eine „Kindgerechte“ TV-Kampagne mit 10 oder 11 sesamstraßen-ähnlichen Folgen im Bezahlfernsehen kann das wirkliche Begreifen und die Übung der Vorgänge in der Lebensmittelküche nicht ersetzen, selbst wenn eine prominente Ex-First-Lady sie präsentiert.

Auf dem Sofa, vor dem Fernseher, wird kein Kind der Welt lernen, wie man ein Messer handhabt, z. B. Kartoffeln schält und schneidet.

Motivierendes „Learning by Doing“ in Schulküche, Jugendherberge und so weiter ist hier immer ein Gewinn an Bildung. Die Preisfrage ist, ob die Lehrer*innen in der Lage sind, Kochkenntnisse zu vermitteln – und ob sie im Zweifelsfall weitere erwerben wollen. Man soll hier jedoch keine Konkurrenzsituation „Klein gegen Groß“ konstruieren – das könnte destruktiv werden.

Von der Pädagogik insgesamt darf man schließlich nicht stets die Befähigung erwarten, Küchenchefs auszubilden – dann müssten Pädagogen auch Physiker, Mediziner, Lageristen und alle möglichen spezialisierten Berufsgruppen ausbilden können.

Stattdessen wäre es an der Zeit, auch übergreifende Qualifikationen aus der Pädagogischen Psychologie, psychoanalytisch orientierten Pädagogik – Szenisches Verstehen unbewusster Prozesse (z.B. Übertragung – Gegenübertragung) zu fördern und zu fordern.

Wenn „Seitan, Semmelknödel, Rotkraut – oder auch Tempeh mit Sauce, Knödeln und Kraut“ als Prüfungsaufgabe  im Zentralabitur zubereitet werden, wird die Ernährungsreform nicht mehr weit sein 😉 .

 

 

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