Umweltbewusstsein von unten – oder „Das muss die Politik bringen“?

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe fordert der Ökonom und ehemalige Generalsekretär des „Club of Rome“, Graeme Maxton, drastische Maßnahmen, mehr Verbote und weniger Wachstum. Die Verantwortung und die Lösung der Klimakrise liege weniger bei den Individuen, die die Gesellschaft bilden, sondern bei Politik und Wirtschaft.

Das wird schon – zumindest teilweise – richtig sein, doch wenn unsere Politik selbst die harmlose Einführung einer flotten Höchstgeschwindigkeit als  zu drastisch ablehnt, wird das nichts; die Lösung unterbleibt, die Verantwortung bleibt unter dem Teppich.

„Die Wirtschaft“ will Umsatz, und vom Umsatz wiederum Gewinn. Deshalb wird auch nichts verkauft, was möglichst effizient würe, und eine gigantische Ressourcenvergeudung beschert uns die Klima-Krise.
Da wird ein Lebensnsstil propagiert, bei dem Beschleunigung und Unfallrikiko Punkte bringen, erstrebenswert sind. Kein James Bond ohne Dienstwagen, und kein Superheld im Kampf gegen Ressourcenvergeudung.

 

Wer jetzt fordert, „Die da unten, das Volk“ müsse Ernst machen mit der Verantwortung vor der eigenen Tür, hält sich auf der Autobahn vielleicht guten Gewissens an Tempo 120 oder 140,  steht auch mal im Stau und versucht, die „verlorene Zeit“ auf freier Strecke wieder einzuholen, wie alle. Fürs Einkaufen ohne Plastiktüte finden sich Korb und Baumwollbeutel im Kofferraum, das beweist den guten Willen…
Wie wäre es denn, den Bürger*innen mehr Verantwortung zu geben, zum Beispiel bei der Verteilung landwirtschaftlicher Subventionen? Bio-Lebensmittelgrundversorgung für ALLE?

 

„Der Einzelne kann das Klima nicht retten – aber was hilft dann?“ Bei der Süddeutschen Zeitung hatten sich die Redakteure Marlene Weiss und Alex Rühle in den Selbstversuch geworfen: „So leben, dass es dem Klima wenig schadet“.
Als Resultat „… glauben sie nicht, dass der Einzelne etwas bewegen kann“. Sie glauben, dass das „Mantra der Politik mit dem Einkaufskorb“ ausgedient hat, dass Konsum der Einzelnen so wirksam wie der Tropfen auf den heißen Stein ist.

Gut. Jeder hat das Recht auf eigene Meinung und Herstellung derselben, mit und ohne Fundament, Oberflächenbehandlung, Flüchtigkeit, Selbstkritik.

Eine Berichterstattung, die ihre Opfer in „Optimierter Ratlosigkeit“ zurücklässt, fördert allerdings das Desinteresse an der Sache. „Kaufe ich regionalen Yoghurt im Plastebecher oder ferngereisten im Pfandglas, Herrje, welche Alternative hab‘ ich denn, kann mir da mal bitte jemand die Weichen stellen?“

Oder auch: „Vegane Ernährung ist zwar umweltfreundlich, aber in der Kantine haben sie für uns überwiegend Fleischgerichte im Angebot und was sie an Veganem anbieten, ist fad!“

Die Ärmsten! Ja, da kann man nichts machen, das ist schicksalshaft vorgezeichnet, eine Alternative gibt es nicht, gibt es nicht, gibt es nicht, es sei denn, die Regierung lenkt und steuert, weil des Einzelnen Beitrag doch verdampft…

„Pikanter Snack“: Dem Manne, dem es bei „vegetarisch“ zu fad zugeht, kann geholfen werden. Ich sage jetzt zwar nicht wie, aber er möge doch mal zu „Kimchi“ recherchieren (wenn dieser „Fusion-Snack“ auch in Korea undenkbar wäre)…
 
 

Die Kollegin könnte sich zu „Yoghurt selbst machen“ informieren. Das geht mit dem entsprechenden Gerät ganz entspannt und wie von selbst. Dadurch muss sie nur noch die regionale Milch einkaufen, auch das ganz entspannt mit einer lokalen Verbraucherkooperative, oder der Milchmann bringt sie mit dem Elektoliefermobil umweltfreundlich vorbei. Als Journalistin und Influencerin kennt sie die richtigen Leute, wenn es darum geht, die Milchlieferung samt entsprechender Nachfrage zu organisieren.

So eine Fleischreduktion per Dekret oder Fleischessteuer durchzusetzen – das geht hierzulande nicht. Das wäre für die Schreihälse und Meinungsdiktatoren, die mit dem Wort „Unrechtsstaat“ so gern hantieren, Grund genug, die Radio- und TV-Studios der Republik zu kapern, sämtliche Rheinbrücken zu schließen und S21 zu fluten. Zwei Panzer mit scharfer Munition pro Startbahn, und auch der Sektor „Luft“  wäre blockiert. Die Fleischverknapper sind gewarnt 😉 !

 

Fleischlos, also vegan, mit Tradition, wie in der guten alten Zeit geht es hier zu. Mit Farfalle (bewusster Stilbruch) als Sättigungsbeilage, fein abgeschmeckt mit gutem Kräuteressig, eine Luxusausgabe der Linsensuppe. Das ist auch für die Kantine der SZ keine unüberwindliche Hürde. Tipp: Die Möhren sind separat gegart, diese Linsensuppe ist kein Eintopf.

 

Das wollen wir aber doch nicht, dachte eine Genussbloggerin, die sich selbst aufs Cover ihres „Blogs“ gehievt hatte, und setzte auf die feine Überzeugung mit der Moralkeule: „Wenn du Fleisch oder Käse isst, Sahne trinkst, heizt du den Sojaverbrauch an und bist verantwortlich für die Urwaldrodungen und saure Böden! Iss also gefälligst vegan!“

Nehmen wir mal an, ein gewichtiger Anteil der Bevölkerung hat wie der SZ-Redakteur keine Ahnung von „vegan“: Werden die damit bekehrt? Oder befriedigt das „Ihr müsst leben, wie ich es vorschreibe“ ganz andere Selbstdarstellungs- und Geltungsbedürfnisse?

Das Gläschen am unteren Bildrand deutet es an: Hier gibt es Konservensuppe! Die Packung „Alblinsen“ wollte ich nicht angebrochen in den Schrank zurückstellen, so war „Einkochen“ eine Möglichkeit, die Linsen, die nicht aktuell gebraucht wurden, gleichzeitig & energiesparend mit der kochenden Suppe  zu sterilisieren. Im Schnapsglas der milde Kräuteressig, der nicht fehlen darf.
Drei- bis viermal pro Monat können man die gesunden und vielseitigen Linsen ruhig auf den Tisch bringen, ist von Experten zu lesen…

 

Normalerweise versuche ich, in Ernährungfragen auch Neugier auf die fleischlose Variante zu vermitteln. Der Fleischkonsum hängt mit Gewohnheiten, Leitbildern, Gier, sozialer Umwelt und Vorbildern zusammen. Dann erst kommt die Ratio. Die sagt: „Regenwald erhalten“, hat aber Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, weil  Umfeld und Gewohnheiten mitwirken.

Was Werbung bewirken kann, zeigt ein kleiner Test auf: Was die beteiligten jungen Leute von der Speisekarte wählten, war vorhersehbar. Ihre Entscheidung für „triple dipped chicken“ hatten offensichtlich Andere für sie vorweggenommen, und zwar mit der richtigen Dosis an Werbebotschaften, die zielgerichtet eingesetzt waren.
Paniert: Hähnchenschenkel ohne Haut und Knochen. Knackig gedämpft: Pak-Choi mit Olivenöl. Gebraten: Kartöffelchen. Was hier noch fehlt, ist die Zitronenscheibe zur „Knusperpanade“. Letzteres ist ja bei der Lebensmittelindustrie ein beliebter Begriff, der bei „Fischstäbchen“ zu der Anmerkung „Dieses Produkt kann Fisch enthalten“ fast schon verpflichtet. Der Deutsche liebt Panade, baut dafür sogar „Panierstraßen“, nicht aber „Paniergleise“.  Industriesprech: „Am Bande paniert“.

Auberginenmus („Baba Ghanoush“), Champignon, Feige als rein pflanzlicher, leckerer „Snack“ – und wie schaut es mit den Politiker*innen-Ambitionen, den „ökologischen Fußabdruck“ zu verkleinern, sich folglich vorwiegend pflanzlich zu ernähren, aus?

 

 

Klimapolitik, wie in den Pariser Vereinbarungen vorgesehen und erklärt, soll „das Schlimmste“ verhindern, damit wir nicht in die folgende Situation geraten:

Man kann formal demokratisch entscheiden, ob immer höhere Deiche gebaut oder aber ganze Landstriche aufgegeben und die Menschen umgesiedelt werden. Man hat dann aber de facto schon entschieden, dass die dafür benötigten Milliarden nicht in die Bildung oder die Altenpflege gehen.

Ändert sich nichts Grundlegendes im Umgang mit Ressourcen, werden Schreckensszenarien richtig wahrscheinlich; wenn die Handlungsalternativen der Zukunft nur noch „Pest oder Cholera“ lauten, weil heute das Nicht-Handeln oder – auch das häufig – ein „Verschieben und Verhunzen“ herrscht.
Die Deutsche Große Koalition betreibt Alibi-Klimapolitik. Oder Anti-Klimapolitik?

Linsen-Curry-Dip aus häuslicher Kleinproduktion: Das kann der Staat nicht verordnen.  Das muss man selbst machen – und sich nicht gelangweilt-gleichgültig geben, oder denken: „Ha, was der Einzelne tun kann, ist doch nur auf heißen Steinen herumtropfen.“
Es ist vielleicht eher die Gleichgültigkeit der Vielen als die Raffgier des Kapitals, was Fortschritt verhindert. Obwohl: Die Öl-Multis hatte ihre Prognosen vom Temperaturanstieg  jahrzehntelang verheimlicht… 
 

Keimbelastete Wurst aus einem schlecht geführten Nordhessischen Betrieb hat kürzlich zu mindestens zwei Todesfällen geführt  – der Bedarf an „Billigwurst“ wird dadurch nicht kleiner.

Man könnte ja „von unten“ auch pflanzliche Brotaufstriche propagieren und auf breiter Front  Wurst ersetzen – oder braucht Ihr dafür erst prominente Vorbilder und eine Nanny, die Euch ins bessere Leben führt?

Wer Hummus oder Ähnliches  „dezentral“, lokal, zu Hause für den Eigenbedarf herstellt, entlastet die Umwelt durch geringeren Fleisch-Wurstkonsum, weniger Verpackungsmüll (man kann ja sein privates Mehrwegsystem auch mit pfandfreien Gläsern führen). Die Qualität wird einhellig als besser als die Discounterware eingeschätzt.

Es finden sich auch immer Freunde, Verwandte und Bekannte, die einmal probieren möchten, gern ein Gläschen oder Glas abnehmen – gerade im Hinblick auf die Verwandtschaft, in Hinsicht auf die Denkweise auch geistige Verwandtschaft, dem eigenen Stamm zugehörige Personen. Hätte man ein Geschäft, böte sich das Wort „Stammkundschaft“ an.
Nehmen wir das als Hinweis, dem Vorurteil (der berechtigten Klage) „alleine kann man nichts erreichen“ stattzugeben, um eine alte Indianerweisheit aufzugreifen:  „Lebt und engagiert Euch fair, handelt innerhalb Eurer Stämme,  und wo Ihr keine habt, da bildet Stämme“!

 

 

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