Mit dem Ersten schießt man besser – Mord(s)prämie bei der Küchenschlacht
Geschrieben am 28. November 2017 von KPBaumgardt
Nobel geht die Welt zugrunde – und nach uns die Sintflut: Das sind ungeschriebene Gesetze, wo es ums Unterhaltungskochen im Fernsehen geht. Wenn es auch mal ein Alibi-tierfreies Gericht gibt, muss es doch, um die gestrengen Profi-Juroren zu übertzeugen, exklusiv hergehen.
Bei einem Fernsehevent einfach abzuschalten, ändert ja nichts daran, dass die Veranstaltung durchgeführt wird, und ausgestrahlt: Insofern hatte ich mir die Sendung am letzten Freitag angetan, obwohl ich eigentlich nichts davon hatte:
Die in 35 Minuten durchexerzierten Zubereitungsleistungen haben mit genussvollem Kochen nichts mehr zu tun, finden statt unter dem Damoklesschwert der Jurybewertung, wo „das Haar in der Suppe“ gesucht wird, Äpfel mit Birnen verglichen werden, ohne dass eine ojektive Feststellung, ob A oder B besser ist, der geringe Aufwand bei C vielleicht auch seinen Wert hat, möglich wäre.
Unverzeihlich an der Sendung ist aber, dass mit einer hohen Siegprämie – für 25.000 Euro muss ein armer Maurer schon einige Mauern hochziehen – Spannung und Stress erzeugt werden, dass vor lauter Erklärungen, dass nur der/die Beste gewinnen kann, Konkurrenz und Rivalität (besonders in der Endphase des Wettbewerbs) geschürt werden, dass diese hohlen Erklärungen, das Herzeigen eines durchsichtigen Geldkoffers gar von dem eigentlichen Gestaltungsvorgang ablenken, und dass die Alternative zu diesem Unfug ausfällt: Der eigentliche Gewinn wäre für die Zuschauer doch, etwas zu lernen, mitzunehmen, für die eigene Küchenpraxis.
Bei der Sendung vom 24.11.2017, moderiert von Johann Lafer, gab es:
1. Thomas Klose
Steinbuttfilet mit Linsen-Aal-Sauerkraut im Papadam-Körbchen, Kalbsjus und Buttermilch-Wacholder-Eis
2. Lena Ringwald
Wildhasenfilet und -leber mit Pumpernickelbrösel, Wildjus, Speckschaum, Rosenkohl und Maronen-Eis
Steinbutt steht weit oben in der Liste der hochpreisigen Fischarten, den kann sich nicht jeder leisten. Beim Linsen-Sauerkraut im Papadam-Körbchen geht es schon volkstümlicher zu, und es steht auch nirgends geschrieben, dass man „Papadam“ selbst machen kann oder muss.
Allerdings schlägt hier wieder die Kritikwut der Jury zu: „Durchgeweichtes“ Knusperbrot geht gar nicht, wenn der Spitzenkoch das so empfindet, ist es auch kein Nörgeln, sondern eine sachliche, vorbildliche Feststellung: Die passt zur Deutschen Perfektionssuche oder -Gesinnung.
Andererseits: So innovativ ein Linsen-Aal-Sauerkrautkörbchen auch immer sei: Linsen mit Ahler Worscht im Sauerkrautmantel klingt stimmiger, dabei noch auf den Butt verzichtet, und fertig ist ein alltagstaugliches Spargericht.
Beim Feldhasen musste ich mich wundern: Steht er nicht auf der Liste der bedrohten Tierarten? Doch, das tut er, aber fürs Fernsehen wird der Affront gegen den Artenschutz in Kauf genommen. Die Bejagung zur Bestandsregulierung mag beim Wildschwein relativ sinnvoll sein – aber beim Wildhasen?
Ist das Töten bedrohter Tierarten Naturschutz, Mord oder etwas Drittes? Wer hat wo sein Schrot verschossen?
Vier Sterneköche haben die Gelegenheit, sich zum Naturschutz zu äußern, ungenutzt verstreichen lassen und eisern an ihrer heilen Küchenwelt festgehalten. Dem applausspendenden Publikum scheint es ja gefallen zu haben, auf dem Altar des Kulinarismus wenigstens eine aussterbende Tierart gefunden zu haben.
Ein süßes Kaninchen zu servieren, das wäre fies und eklig gewesen, aber einen Feldhasen, für den sowieso kein Wildkraut in der Glyphosphat-besprühten Agrarlandschaft mehr wächst – den kann, muss man doch ruhig opfern, mögen die Kritiker doch lafern, was sie wollen.
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