Zum Wohl der Tiere und der Menschen
Geschrieben am 29. Oktober 2017 von KPBaumgardt
Sich mit der „Gier auf Tier“ auseinanderzusetzen, und mit den gesellschaftlichen Tendenzen zu vegetarischer Ernährung bis veganer Lebensweise, ist einereseits „modern“, bewirkt andererseits wenig bei denen, die tatsächlich tierische Produkte verschlingen und im Tier weniger das Mitgeschöpf als den Rohstoff für mancherlei Delikatessen und Alltagsfutter sehen.
Auf 3SAT, bei Scobel, lief neulich eine Sendung, deren Einleitung diesen Klang hatte:
„Die Lust auf tierische Nahrungsmittel ist scheinbar nicht zu bremsen
Der Verzicht auf Fleisch liegt im Trend und vegane Restaurants und Supermärkte schießen aus dem Boden. Dennoch sind die Deutschen Europas fleißigste Schweineproduzenten. 85 Prozent essen fast täglich Fleisch.“
Die Gesprächsrunde – Friederike Schmitz, Tierethikerin, Harald Grethe, Agrarwissenschaftler, Matthias Wolfschmidt, Veterinärmediziner und Gastgeber Scobel, der einleitend auch das Motto „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“ seziert hat, wurde allerdings, wo es um konkrete Rezepte ging, gar nicht konkret, blieb also dem theoretischen Fleischverzicht verhaftet.
Möhre, Sellerie, Petersiilienwurzel, Apfel, Nüsse, Essig & Öl, Salz & Pfeffer: Geraspelte Rohkost.Die Sendung vom 12. Oktober 2017 kam nicht daran vorbei, Bekanntes darzustellen:
Massentierhaltung ist so, wie sie praktiziert wird, nicht artgerecht, Stress-verursachend und extrem schädlich für Klima und Umwelt. Dabei gefährdet unser hoher Fleischkonsum die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung, wenn die Hälfte der weltweit produzierten Ackerpflanzen an Nutztiere verfüttert wird.
Pflanzenschutzmittel und Antibiotika, Zusätze wie Nitritpökelsalz können beim industriell produzierten Fleisch die Gesundheit gefährden.
Zu den Voraussetzungen einer nachhaltigen Fleischproduktion sei hier auf das Interview mit der Tierärztin und Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft Kritische Tiermedizin, Anita Idel, verwiesen.
Ethischer Fleischkonsum
Religiöse Vorschriften zum Umgang mit tierischen Nahrungsmitteln sind kein Tierschutzgesetz – das ist jüngeren Datums und nicht unbedingt inspiriert von Philosophen der Antike, die sich über den ethischen Umgang mit Tieren Gedanken gemacht haben.
Diese Texttafel wurde nur kurz eingeblendet – zu kurz, um zu verstehen, was da gesagt wurde, zu kurz, um den Zusammenhang, in dem sie steht, darzustellen.
Sicher erklärt der Satz sich auch von selbst: Hat Pythagoras etwa die Zustände in unseren Schlachthöfen, auf unseren Schlachtfeldern vorausgesehen? „Seinerzeit“ war ja der Gedanke, dass der Krieg der Vater aller Dinge ist, noch viel selbstverständlicher als heute…
Was der Kriegsgott Mars so zu verantworten hatte, wie er sich, stets hochgerüstet, verhielt, ist uns ja nicht mehr geläufig, obwohl er immer noch bevorzugt behandelt wird- hierzulande momentan von einer Frau…
Zum Thema „Mythologie“ gab es dafür im Februar eine spezielle Scobel-Sendung – „Die Unsterblichkeit der Mythen„. Politisch fällt hier die Diskrepanz zwischen Erzählung und Realität auf, etwa „Umweltschutz durch Pflanzenöl“ im Autobenzin und Umweltzerstörung durch Monokultur-Agrarindustrie, die Treibstoff herstellt, indem sie Energie verbraucht.
Land- und Forstwirtschaft werden, wenn nicht nachhaltig betrieben, schnell zerstörerisch; so tug die Holzgewinnung für den Schiffsbau zur Entwaldung der Mittelmeerländer bei, und auf den Osterinseln sind gleich alle Bewohner – als Folge des Raubbaus an der Natur – ausgestorben.
„Fleischlos“ spart Ressourcen, und „Wenn fleischlos, wie das?“ ist eine Frage mit Bedeutung. Aus ethischen Gründen muss man nicht auf Fleisch verzichten, aus ethischen Gründen dürfen wir nicht auf das Mitgefühl für „die Kreatur“ verzichten:
Kulturell haben wir ja schon kleine Fortschritte erzielt: Bei den alten Römern gab es im Zirkus noch den Kampf auf Leben und Tod zwischen Menschen, und zwischen Mensch und Tier – das hat sich geändert, und das Spektakel ist zivilisierter geworden. Dafür gibt es keinen Sonntag mehr ohne Tatort, Fernseh-Gewalt, Leichenschau und Verbrechens-Details.
Hinsichtlich der fleischfreien Ernährungsperspektive ist traditionell „die Süßspeise“ noch ein kleiner Lichtblick –
Pfannkuchen mit einer besonderen Kefir-Zubereitung; davon, dass Kefir bei der nachhaltigen Ernährung eine maßgebliche Rolle spielen könnte, wird noch zu reden sein…
und bei manchen „kräftigen Rezepten“ entfält jede „Notwendigkeit“ einer Fleischbeilage, indem die Pilze das Mundgefühl mobilisieren, und eine Andeutung von „Uami“ per Sojasauce bereitgestellt wird.
Mit „Fleischersatzprodukten“ wie „veganer Leberwurst“ oder „Hack-peter-Igel aus zerbröselten Reiswaffeln“ hatte sich einstmals die „vegane Bewegung“ in den Medien an die Oberfläche gestrampelt – unsere Märchenerzähler daselbst waren dankbar für Themen mit Unwahrscheinlichkeits-Koeffizient:
„Toll, Herr Hildmann, wie Sie aus ein bisschen Bohnenmus und Majoran diesen echten Leberwurst-Ersatz entwickelt haben! Das ist ja unfassbar, uuunglauuublich! Respekt! Ach, Sie sind ja soo’n sozialer Typ! Dass Sie allen Semipromis dieser Talk-Runde eine Kostprobe servieren! Und wie rührend Sie sich darum sorgen, dass niemand das Schicksal Ihres Adoptivvaters erleiden muss – noch mehr Respekt! Wie viele vegane Bücher haben Sie geschrieben? 50? 60?
Auf die nächsten 100! Prost, Herr Hildmann, Prost! Prost, mit einem tierleidfreien Schnäpschen!“
Bei Bedarf hätte der vegane Tigerschützer sicher noch die feministische Komponente des fleischfreien Brotaufstrichs herausgearbeitet oder uns weitere Märchen aufgetischt – beim Essen geht es schließlich mehr um die Fiktion als um Fakten, kommt der Geruch vor dem Geschmack, die Optik vor dem Gehalt, ist die Einbildung, „Fleischlos“ sei schon eine Ethik, schlecht-überheblich.
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