Wenn das Opfer männlich, fettsüchtig und erfolgreich ist, hast Du die Lizenz zum Lästern

Im Zeit-Magazin gab es neulich einen merkwürdigen Artikel:

Immer auf die Dicken

Warum ist der dicke Mann eigentlich das letzte Lebewesen, über dessen Aussehen man sich öffentlich lustig machen darf? Von Thomas Fischer



Da beschwert sich der „ehemalige Bundesrichter“ wortreich über die von Übergewichtigen zu erleidenden Diskriminierungen, und die These, dass „es“ mehr die dicken Männer betrifft, schält sich heraus. „Es“ sind kleine und große Gemeinheiten, es sind vom Spott verschonte Frauen mit Adipositas, und es wird überhaupt nicht klar, was dem Mann fehlt, und wie es dazu kam.

„Er“ behauptet, das Bashing treffe ungeniert die „dicke Prominenz“, ihn sowieso, aber auch – unter anderem – Joschka Fischer und Rainer Calmut.

Ich weiß ja nicht: Niemand lästert über Joschi Fischer – finde ich. Aber hatte der nicht auch mal einen Bestseller geschrieben, über den Wert des Langlaufs auf dem Weg zu sich selbst?
Ein Bestseller, der sich nicht als wirklich langzeitstabil herausgestellt hatte, der mich aber, ehrlich gesagt, so wütend gemacht hatte wie das Anti-Dicken-Pamphlet seiner Parteigenossin Künast, die gleichfalls als Ministerin einen Friss-Nicht-Ratgeber lanciert hatte.
Auf Deutsch gesagt: Es kann nicht viel Gutes dabei herauskommen, wenn mit dem Übergewicht derart Politik gemacht wird, die dann mit „persönlicher Lebenserfahrung“ und ein wenig Vorhofrecherche kombiniert, vermarktet wird.

Und Rainer? Was brauchte der sich damals in der gelben Presse als Vorzeige-Abnehmender mit Ernährungscoach und Fitnesstrainer herzugeben?
Das war zwar eine Fortsetzungsstory, nur wenig hilfreich für die LeserInnen und auch nur von vorübergehndem Erfolg „gekrönt“.

Wenn Richter Fischer also über Langstreckensessel mit viel Beinfreiheit, aber großer Enge in der Breite öffentlich nachdenkt, ist das kaum weiterführend: Bei der Bahn sind oder waren die „Sessel“ breit, bequem, rollten auf Schienen und nicht über den Wolken. Häufig ist das moderne Neue nicht besser als das Alte.

Und überhaupt sei das mit der Adipositas in seinem Leben ja nur ein relativ kurzer Abschnitt – meistens sei er schlank gewesen, und seine Vorfahren auch, der Vater kriegsbedingt, bloß nach dem großen Krieg hat er wohl zugelegt.
Eine relevante Information ist das nicht gerade; relevant wäre die Auskunft, was beim Juristen den Umschwung veranlasst hatte, das „was war denn da los?“

Von Fischer, der sich über Gott und die Welt lustig macht (besonders nett: Der Begriff „Traditionsverteidigungsministerium“) aber kommen jede Menge Metaphern, die ein Analytiker deuten mag, wie sonst die freie Assoziation eines Klienten – bloß wird er das unterlassen, weil der Autor sein Klient ja nicht ist, Ferndiagnosen verpönt sind und das Wortspiel als Wortspiel seinen Zweck ja schon erfüllt hat:

So viel  Zeitvertreib im Zeit-Magazin musste sein. Die Gedanken an die großen Umstellungen „ab fünfzig“ hätte der Artikel gleich mit-vertrieben.

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