Kinder im Visier der Werbung
Geschrieben am 19. Mai 2013 von KPBaumgardt
“Kindermarketing” ist das Thema eines (Leit-)Artikels der Zeit bzw. der online-Fassung.
Weil Kinder über viel Kaufkraft verfügen und Kaufentscheidungen mitentscheiden, muss die Wirtschaft sich – systembedingt – um diese Kundschaft kümmern. Das schafft Umsatz und Gewinn, bei Süßkram mehr als bei Obst, und so wird es auch keine Werbung für Obst und Gemüse, sie sich an Kinder richtet, geben.
Und
Der deutsche Staat schreibt den Kindern heute vor, dass sie Helme tragen, wenn sie sich auf ein Fahrrad setzen. … Wenn es aber um Werbung geht, ist alles erlaubt.
Leider gilt auch:
Von den Eltern ist keine große Gegenwehr zu erwarten.
“Geschmack” fällt nicht vom Himmel, Geschmack wird gebildet:
Wer als Kind kein Nutella gegessen hat, fängt nicht als Zwanzigjähriger damit an.
Deshalb wird für Sweets-Werbung mehr Geld ausgegeben, als für Autowerbung, wenn man es überspitzt formuliert.
Sehr schön ist dieser Satz:
"Wenn man Kinder so schwach erzieht, dass es jeden Tag Chips gibt, und das Kind bewegt sich nicht und wird fett – dann hat man ein Erziehungsproblem."
Gesprochen von einem Werbe-Mensch, der sich als Opfer der selbst veranstalteten Kampagnen sieht: Werbung funktioniert heute auch über Spiele, Freischaltcodes auf der Chips-Packung, was man dann “Abverkaufsdruck” nennt. Bloß nicht: Erfolgreiche Rattenfängerei.
Und: Der genannte Werbe-Profi
Schering schiebt die Verantwortung den Eltern zu, obwohl der Erfolg des Kindermarketings gerade darauf beruht, dass es gezielt die Eltern als Erziehungsinstanz zermürbt.
Die Pom-Bär-Werbung soll "Pester Power" entwickeln: Das ist eine weitere magische Vokabel des Marketings. Pester Power bedeutet "Quengelkraft".
Ob man Sticker-Alben als Schleichwerbung verdammen soll, kann ich nicht entscheiden – ein gut gemachtes Album könnte immerhin Wissen vermitteln und dabei helfen, langfristige Interessen zu entwickeln. Aber es gibt härtere Strategien der Kinder-Bindung:
Es ist eine neue Eskalationsstufe des Merchandisings: Gerade hatten wir uns daran gewöhnt, dass jede Filmfigur auf Butterbrotdosen und Joghurtbechern wiederzufinden ist – jetzt gibt es die Filme nur noch, damit wir hinterher Butterbrotdosen und Joghurt kaufen.
Von Kindern kann man keine wirklich rationale Beurteilung von “magischen” Werbeversprechen erwarten. Auch von Erwachsenen wird noch erwartet, dass sie auf Bluffs hereinfallen. “Ethisch korrekte Werbung” auch nur zu definieren, geschweige denn durchzusetzen dürfte unsere Parlamentarier überfordern.
Der Unterschied zwischen hohlen Phrasen, gescheiten Aussagen und gezielter Manipulation (warum sollten wir die eigentlich weiterhin erlauben – oder auch: “Wer ist für Gehirnwäsche?”) wird nicht immer deutlich.
Deutlich sichtbar war über dem Artikel folgender Spruch:
Ich fürchte, darüber wird niemand diskutieren wollen. Die Analyse könnte zwar bei der Definition von “guter Arbeit” ansetzen. Gemeint ist aber stets die Erwerbsarbeit, die abhängige Arbeit.
Müsste man die hier vorgestellte Arbeit der Werbe-Profis als “gute Arbeit” bezeichnen, die des “armen Bloggers” aber als Hobby, per Definition gar nicht als Arbeit?
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