Übergewichtige Kinder und hilflose Eltern
Geschrieben am 8. Dezember 2009 von KPBaumgardt
Wenn Eltern bei Problemen ihrer Kinder oder mit ihren Kindern nicht mehr weiter wissen und sich an Experten wenden, sollte der Expertenrat Hand und Fuß haben.
“Ermahnungen nutzen nichts” ist ein häufiger Stoßseufzer, und die Aussage ist auch noch durch Studien belegt.
Insofern sind Ermahnungen und ein dummes Gesicht Zeichen von Hilflosigkeit, und die Frage ist, was ist hilfreich?
Auf der US-Seite “My overweight child” gibt es in Anlehnung an diese Studien eine Liste, was Eltern tun und lassen sollten:
- Nehmt das Gewichtsproblem zur Kenntnis.
Wenn nichts passiert, nehmen 85 Prozent der übergewichtigen Kinder von Jahr zu Jahr weiter zu. - Setzt Euch zum Essen zusammen
Viele unterschiedliche Studien belegen positive Effekte, vom verringerten Drogengebrauch bis hin zu weniger Essstörungen. - Fangt keine Diäten mit den Kindern an!
Bei einer Studie zeigte sich, dass Kinder, die zum diäten angehalten wurden, nach fünf Jahren mit größerer Wahrscheinlichkeit übergewichtig waren, als ohne solche "Ermunterungen": Zu 75% statt 52% bei Jungen und zu 66% statt 44% bei Mädchen. - Ermutigt die Kinder, gesund zu essen:
Als gutes Vorbild. Gerade Vorschulkinder imitieren ihre Eltern bei der Essensauswahl. - Zieht die Kinder nicht wegen ihres Gewichts auf!
"Teasing" setzt das Selbstbewusstsein weit mehr herab, als alle andern Einflüsse. - Begrenzt die Zeit, die die Kinder vor dem Bildschirm verbringen!
Wenn durchschnittliche Teenager über 45 Stunden in der Woche vor dem Bildschirm verbringen, steigen Übergewicht und Blutdruck… - Keine "camps", die sich nur auf das Gewicht konzentrieren, und sich um den Lebensstil nicht kümmern.
"Gewichtscamps" (offenbar ein amerikanisches Phänomen, das demzufolge in ein paar Jahren auch uns erreicht) führen zum Jo-Jo-Effekt, und dem Kind geht es schlechter als zuvor.
Ferienfreizeiten, bei denen auch Gewicht abgebaut wird, sollten eine wissenschaftlich begründete Grundlage haben und von konkreter Forschung begleitet sein, die langfristige Veränderung des Lebensstils betonen und nachvollziehbar zur Verhaltensänderung anleiten.
Solche Programme bieten jungen Leuten eine wunderbare Möglichkeit, Teil einer Gemeinschaft zu werden und zu einem gesunden Lebensstil zu finden. - "Weight loss camps", die die Fitness und das familiäre Umfeld betonen bzw. einbeziehen, sind auch eine Möglichkeit.
Ein wirkungsvolles "weight loss camp" hält Kinder führt Kinder an gesundes Essen heran und zieht später die Eltern dabei ein, wenn es darum geht, den Kindern dabei zu helfen, diese Veränderungen konstant beizubehalten. - Wenn der Vater
das Gewicht der Tochter kritisiert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kleine als Erwachsene eine Essstörung entwickelt. - Ermuntert die Kinder, mehr zu schlafen.
Wissenschaftlich ungeklärt ist noch, ob zu wenig Bewegung dazu führt, dass die Kinder weniger schlafen, oder ob der Schlafmangel sich negativ auf die hormonelle Regulation des Appetits auswirkt.
Dinge wie Fernsehverhalten, Nutzung von Computer, gesundes Essen und Bewegung im Alltag und am Wochenende und im Urlaub sollten also möglichst früh und ganz selbstverständlich in die richtigen Bahnen gelenkt werden.
Das Konzept der “Weight loss camps” ist aufwändig und hierzulande noch nicht im Angebot. Vielleicht kommt das noch.
Vorab sollten guten Gewissens schon einmal unsinnige Maßnahmen wie Diät und Ernährungsberatung für Kinder gestrichen werden.
Wichtiger ist die Vorbildrolle der Eltern – beider Eltern, die bei den oben angesprochenen Fragen am Besten auch einvernehmlich und vernünftig handeln – dann wird das Handeln auch wirksam.
Wenn das nicht hilft – und es gibt genug Fälle, wo die Eltern darunter leiden, dass sie eben nicht vorbildlich sind, oder das nicht wahr haben wollen, wird es etwas schwieriger.
Ermahnungen und Beratungs-Programme für Kinder sind jedenfalls nur hilfloser Aktionismus: “Man” hat es ja versucht, und es hat nichts genutzt.
Manchmal sind Eltern, Elternteile (welch nettes Wort) auch viel zu sehr aufs Kind fixiert, als hätten sie keine anderen Interessen und keinen Partner. So – also mit grundloser Überbehütung und totalem Aufgehen in der Rolle als Mutter oder Vater – wird das mit der Vorbild-Rolle auch nichts.
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Abgelegt unter: Gesundheit | 2 Kommentare »
v.a. sollten Eltern genau hinschauen, wieso das Kind so viel isst, es könnte auch eine Esssucht oder Binge Eating der Grund sein.
oder einfach Langeweile, weil die Eltern sich nicht kümmern und dem Kind nie beigebracht haben, sich selbst zu beschäftigen und die Freizeit aktiv zu gestalten.
Vorbildwirkung – nicht nur in der Quantität, sonder vor allem auch in der Qualität des Essens! Eigene Zubereitung, Verzicht auf Fabrikmahlzeiten und Einschränkung von Fast Food. Das sind ein paar gute erste Schritte.
Aber wenn dies schon den Eltern schwer fällt, warum soll es für Kinder einfach sein?
Vermutlich hilft es auch nicht viel, wenn ich hier Lektüre empfehle – „Adipositas im Kindes- und Jugendalter – Auswirkungen auf den Schulsport, sowie Präventions- und Interventionsmaßnahmen innerhalb und außerhalb der Schule“, siehe http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/114302.html
Ich ärgere mich immer noch, dass die Ampel-Kennzeichnung blockiert wurde, das wäre zumindest ein Anfang gewesen!