Abnehmen und Diät als kreativer Prozess
Geschrieben am 26. Januar 2009 von KPBaumgardt
Um den Gedanken einmal kurz vorzustellen: In vielen Abnehmprogrammen wird mittlerweile neben Ernährung und Bewegung auch die Entspannung gelehrt. Diese drei Säulen sollen
helfen, auf einem erträglichen Stressniveau auch nach dem Ablauf des Programms bzw. Kurses ein reduziertes Gewicht zu halten. Eine der Ursachen von Stress – solchem Stress, der „von innen“ kommt, können unbewältigte Konflikte oder unausgelebte Emotionen sein.
Und solche Emotionen oder Konflikte können in der Kunst abgeführt werden, „sublimiert“ werden.
Dabei kommt es nicht darauf an, begabt wie Picasso zu sein und auf dem internationalen Kunstmarkt zu konkurrieren, sondern zu Ergebnissen zu kommen, die den eigenen Ansprüchen genügen, und dem jeweiligen kreativen Potential entsprechen.
Wer welches „Medium“ wählt – etwa Musik und Tanz, Farbe und Leinwand, Holz, Stein, Lehm oder Papier und Stift, Kamera und Computer, Webstuhl, Töpferscheibe usw. hängt von den jeweiligen Vorlieben ab.
Wenn dann das Kunstwerk fragt, ob es Kunst sei, könnte das eine Anspielung auf den Mythos von Pygmalion sein – die Statue, die er erschaffen hatte, war so schön, dass er sich in sie verliebte, und göttliche Fügung machte sie lebendig.
Unsere Vorfahren haben die Mythen weitererzählt, weil sie eine große Bedeutung haben – wir dürfen annehmen, dass in jedem von uns etwas von Pygmalion steckt, und Josef Beuys Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ dürfte genau das ausdrücken.
Damit ist es vielleicht nicht nur legitim, sondern auch notwendig, sich, im übertragenen Sinne, sein eigenes Objekt zu schaffen.
„Das musische“ ist aus dem Lehrplan noch nicht ganz wegrationalisiert, der „Kunstunterricht“ hat aber immer noch das Image des Nebensächlichen, und, wenn es eng wird, fällt die künstlerische Betätigung auch bei den Erwachsenen schnell in die Kategorie „kann wegfallen“.
Dabei dürfte es ein menschliches Grundbedürfnis sein, sich auszudrücken, und die Aussage so manchen Werkes lässt sich nicht wirklich in Worte fassen, wohl aber verstehen.
Es gibt immer wieder Zeitgenossen, die den Stein der Weisen suchen und eine drei-Minuten-Erklärung zur Frage „Wie funktioniert das Abnehmen?“ suchen. Die wissen dann natürlich, dass das so schnell nicht gesagt ist und schlussfolgern aus der ausbleibenden Erklärung, dass der Befragte inkompetent sei.
Sie kooperieren nicht, sondern leisten Widerstand. Oder bringen eine Erklärung, die sich im Kreise dreht: „Abnehmen ist eine Kunst, und Kunst kommt von Können“ heißt es dann. Das soll dann heißen: „Und Du kannst es mir bestimmt nicht beibringen“.
So weit zur dunklen Seite der Abnehmen-ist-Kunst-Diskussion: Wo die kreative Ader verschüttet oder zubetoniert ist, und überhaupt: Kreativität zu fordern ist vielleicht auch Blödsinn. Dazu ermutigen, das könnte sinnvoll sein. Über Blockaden, wenn sie denn empfunden werden, zu reden, könnte sinnvoll sein.
Soweit also zu den Hintergründen des „Abnehmens mit der Zauberformel“ 😉
Und dass „Kunst“ von „Können“ abstammt, mag ja sein. Aber 1.) kann jeder, und 2.) gibt es keine Kunst ohne einen Anfang, und 3.) kein fertiges Kunstwerk (nur „Unvollendete“ in verschiedenen Stadien) wenn zu viel überlegt wird…
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Abgelegt unter: Abnehmen, Psyche | 2 Kommentare »
[…] den “Fluss der Energien”, Schaffenskraft und Lebensfreude, gibt es auch den Aspekt des Pygmalion-Effekts, und Zusammenhänge mit den Reaktionen von außen; eine Durststrecke […]
Die Kreativität als „vierte Säule der Diät“ muss ja nicht heißen, dass jetzt jede(r) anfängt, ein Musikinstrument zu spielen, Romane zu schreiben oder mit Pinsel und Leinwand zu arbeiten; ein „neuer Lebensstil“ stellt an die Lebenskunst schon Anforderungen genug.
Was die konventionellen Programme mit ihren Entspannungsübungen betrifft: In vielen Fällen scheint es so, dass nicht nur die Entspannung, sondern auch die Arbeit geübt werden muss 😉