Die Schuld am Übergewicht
Geschrieben am 29. November 2013 von KPBaumgardt
Kürzlich wollte mir ein “unabhängiger Experte” erklären, dass die Werbung für Lebensmittel keinesfalls die Schuld am steigenden Übergewicht hätte. Dazu griff er tief in die rhetorische Trickkiste und erklärte, erklärte, erklärte…
Obwohl mich seine Argumentation überhaupt nicht interessierte. Als ob ich glauben könnte, dass es einen einzigen Faktor gäbe, der für so ein komplizierten Sachverhalt ursächlich wäre, wo doch jedes Kind weiß, dass wir es mit einem multifaktoriellen Zusammenhang zu tun haben.
“Weißt Du, wenn die Werbung für den Kalorienverbrauch ausschlaggebend wäre, dann wären doch die Leute in der DDR, als sie noch im Sozialismus lebten und keiner Werbung ausgesetzt waren, alle schlank gewesen wie die Gerten – und das waren sie aber nicht”.
Dazu zog er noch eine Studie hervor, die seine Aussage belegen sollte. “Gesundheit seit dem Mauerfall”, oder so ähnlich…
Die vorgestellten Ergebnisse weisen auf nur geringe Unterschiede in der gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland hin. Dies gilt auch und insbesondere für Aspekte der Kinder- und Jugendgesundheit, die aktuell im Mittelpunkt der Prävention und Gesundheitsförderung stehen, wie z.B. Ernährung, Bewegung, Übergewicht und Adipositas sowie psychische und Verhaltensauffälligkeiten.
Dass für die Betrachtung der gesundheitlichen Situation die regionalen, “kleinräumigen Lebensbedingungen” ausschlaggebender seien, steht zwar in der gleichen Studie, aber meinem Freund ging es ja nur um die Rolle der Werbung.
Ich habe ihn dann gebeten, sich doch mal die real existierende Werbung anzuschauen:
“Das ist doch süß”, meinte er. “Ja”, stimmte ich zu – “und sehr emotional”. Vielleicht wird die Werbebotschaft ja auch so lange gespeichert, bis die Empfänger selbst Eltern sind, und reaktiviert, wenn sie ihren Kindern etwas Gutes tun wollen?
Mein Spezi wollte mir nun noch erklären, dass Werbung lediglich beeinflusst, welches Produkt gekauft wird, unabhängig davon bleibe aber der Gesamtverzehr.
“So argumentiert die Zigarettenindustrie auch, aber…”
Werbung verfehlt Ziel nicht
Tatsächlich löste das Betrachten einer solchen Botschaft unmittelbar Lust auf Zigaretten aus. Im Schnitt stieg das Verlangen um 22 Prozent. Überraschend: Der Effekt klang zwar im Laufe der Zeit ab, doch selbst nach sieben Tagen stellten die Wissenschaftler noch eine größere Bereitschaft zum Rauchen fest.
Erstaunlich auch, wie häufig die Teilnehmer der Studie im Laufe der drei Wochen positiv besetzten Botschaften zum Rauchen ausgesetzt waren: Insgesamt 1.113 „Werbekontakte“ zählten die Wissenschaftler.
Woher ich denn das hätte, wollte er jetzt noch wissen, und ich nannte ihm die Quelle. Er aber nannte mich einen Spielverderber, und ich verlor die ohnehin geringe Lust, weiter zu diskutieren.
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