Vom zwanghaften Essen und Trinken
Geschrieben am 30. Juni 2010 von KPBaumgardt
Bei der “Orthorexie” und den ihr zugeschriebenen Symptomen sollten wir vieleicht etwas flexibler sein und nicht nur gelten lassen, was der “Erfinder” dieser neuartigen Krankheit ihr zurechnet, sondern auch überlegen, wie sehr wir selbst dazu neigen, “richtig” zu essen.
“Richtig essen” zu lernen bedeutet bei der Kindererziehung unter Umständen:
- Nicht kleckern
- Messer, Gabel, Löffel benutzen
- Nicht schmatzen
- den Teller leer essen
Was sich unter dem Krankheitsbild Orthorexie versammelt, sind Kriterien wie
- ständiges Kreisen der Gedanken um das Essen
- Schuldgefühle, falls vom Ernährungsplan abgewichen wird
- Gefühl der Überlegenheit, Missionierungseifer, um andere von seiner Ernährung zu überzeugen.
Dabei
… wird diskutiert, ob zu einer Diagnose der Orthorexie auch die Präsenz zwanghafter Persönlichkeitszüge notwendig ist.
Interessant finde ich, dass hier einmal “Essen” und “Zwang” in einem Zusammenhang gesehen werden, und nicht immer nur “Essen und Sucht”.
Bei den Zwangserkrankungen geht es ja um Kontrolle: Ob das Bügeleisen ausgeschaltet ist, wird mehrfach kontrolliert, Bakterien auf den Handflächen müssen beim Waschzwang unter Kontrolle gehalten werden. Und beim Zwang, den Teller leer zu essen, ist auch einmal Kontrolle ausgeübt worden – was sich verinnerlicht hat, so dass man nicht mehr davon lassen kann. Das “leeressen” geht auch ohne Teller, direkt aus der Tüte oder dem Kühlschrank…
Persönlichkeit oder Charakter lässt sich nicht in ein paar Sätzen abhandeln; vorab festgehalten soll hier auch nur werden, dass über den Kontrollzwang auch anale Charakterzüge in das vermeintlich exklusiv “orale” Thema Ernährung ausstrahlen.
Abnehmen, abgeben oder behalten sind Möglichkeiten, bei denen manchmal gar keine Wahlfreiheit herrscht.
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