Angst vor dem (den) Fremden genetisch bedingt?
Geschrieben am 23. April 2010 von KPBaumgardt
Von einer äußerst merkwürdigen Studie berichtet “derStandard.at”:
Regelmäßig haben Studien schon bei Kleinkindern eine Bevorzugung der eigenen ethnischen Gruppe, gepaart mit Abgrenzung gegenüber anderen, beobachtet (vgl. u.a. "Developmental Psychology", Bd. 43, S. 1347). Eine Folge der Erziehung? Anscheinend nicht nur.
Es gibt eine seltene genetische Krankheit namens “Williams-Syndrom”, die durch eine Lücke auf einer Kopie des Chromosoms Nr. 7 ausgelöst wird; und eines von 10.000 Neugeborenen leidet darunter.
Wer mit Williams-Syndrom (WS) auf die Welt gekommen ist, verhält sich seinen Mitmenschen gegenüber extrem offenherzig und sozial. Auch vollkommen unbekannten Personen begegnen die Betroffenen ohne eine Spur von Scheu. Kleinkindern mit WS fehlt das alterstypische Fremdeln. Das Syndrom geht also mit einer völligen Abwesenheit von Sozialangst einher.
in der Studie
sprachen die normalen [gesunden] Probanden dunkelhäutigen Menschen deutlich häufiger Negatives zu. Vorurteile eben. Bei den Teilnehmern mit WS dagegen zeigte sich dieser Trend nicht. Dies ist der erste Hinweis auf die Abwesenheit von Rassenvorurteilen bei einer bestimmten Gruppe Menschen, schreiben die Experten in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Current Biology" (Online-Vorabveröffentlichung vom 12.4.).
Dass das Williams-Syndrom indes nicht von allen Vorurteilen befreit, zeigte das Forscherteam in einem zweiten Versuchsteil. Wenn es um geschlechtsspezifische Stereotypen (Wer kocht das Essen?) ging, unterschieden sich die jungen WS-Patienten keinesfalls von den anderen.
An und für sich war auch nichts anderes zu erwarten. Das Fremdeln bedeutet ja, dass das Kind zwischen “eigener Gruppe” (~ Familie) und “den anderen” unterscheiden kann. Die “eigene” Gruppe bedeutet “Sicherheit”, die andere Gruppe könnte Trennungsängste hervorrufen, ist einfach “nicht die gewohnte Umgebung”.
Gleichzeitig gibt normalerweise keine Mutter gern ihr Kind her, und kein Vater “seins”, bzw. das Gemeinsame…
Um welche Ängste vor dem Fremden es sich dabei im Einzelnen handelt, müsste durch eine tiefenpsychologische Untersuchung untersucht werden – solche Ängste dürften auch die betreffenden Forscher selbst tief im Inneren hegen – und auch “die Fremden” haben ihre Vorurteile gegenüber dem, was uns “vertraut” ist.
Die neue Studie bietet der Wissenschaft wichtige Perspektiven. Rassismus, Xenophobie und soziale Furcht könnten gemeinsame Wurzeln haben. Der Sitz solcher Ängste könnten die Amygdala in den Schläfenlappen sein, so Meyer-Lindenberg. Sie zeigt bei WS-Betroffenen im Umgang mit sozialen Gefahrenreizen eine ungewöhnlich geringe Aktivität. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 13. 4. 2010)
Dass die Angst vor dem Fremden nicht unüberwindlich ist, darf angesichts dieser Studie nicht vergessen werden. Im Einzelfall will man/frau sich im Zusammenleben mit dem Fremden vieleicht auch als besonders mutig darstellen, und manchmal klappt es auch einfach nicht mit den Angehörigen der eigenen Gruppe, wenn deren Angehörige einfach “viel zu normal” sind 😉
Und, wenn wir schon dabei sind: Das “Fremdeln” ist normal, auch wenn es in den Schläfenlappen “sitzt” 😉
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