Die Waage als Barometer, auch in der Selbsthilfegruppe langfristig wichtig

Man könnte  die Haltung einnehmen, dass eine Waage in einer Selbsthilfegruppe für Übergewichtige nichts zu suchen hat.
Dieses Diskussions-Ergebnis mag von Vorerfahrungen bestimmt sein, oder dadurch beeinflusst sein, dass es “ohne” einfacher ist, der Realität und dem Ausmaß des Übergewichts nicht ins Gesicht zu schauen.

Hinzu kommt natürlich, dass jeder intuitiv weiß, dass der pure Kampf gegen das Übergewicht zum sinnlosen Kampf gegen Windmühlenflügel ausarten würde.

Im klinischen Bereich – da, wo es “wirklich ernst wird”, werden Essprotokolle erstellt, um schrittweise Veränderungen beobachten und erarbeiten zu können.

Immer wieder ist im Auge zu behalten, dass das gestörte Essverhalten eine Schutzfunktion darstellt und nur in dem Maße abgebaut werden kann, in dem neue Einstellungen und Verhaltensweisen erworben werden.

Das heißt, niemand kann erwarten, dass “von jetzt auf gleich” fundamentale Veränderungen geschehen.

Ein solches Zugeständnismodell … wirkt … auch angstmindernd. … Bildlich gesehen heißt dies, dass das Essverhalten … sozusagen das Barometer darstellt, woran … [zu erkennen ist], ob die gesamtheitliche Änderung in die richtige Richtung geht. Eine positive Veränderung auf der Gewichtsskala, d.h. Zunahme bei Magersüchtigen, Reduzierung der gegensteuernden Massnahmen bei Bulmikern oder Gewichtsabnehme bei Fettsüchtigen würde somit ein Hoch des Barometers anzeigen.

Wenn die Selbsthilfegruppe erfolgsorientiert arbeiten will, muss es auch möglich sein, Erfolge und Rückschläge festzustellen; ansonsten artet es bald zu einer beliebigen Unterhaltungsveranstaltung aus.

Insofern sollte wenigstens einmal im Monat das aktuelle Gewicht der TeilnehmerInnen festgestellt werden, wenn nicht zu Hause, dann zur Not auch in der Gruppensitzung.
Diese Regel dürfte zu den “vorab-Regeln gehören”, bei denen es nichts mehr zu diskutieren gibt.

Zitate aus: Carl und Gislind Leibl

Wenn die Seele hungert
Essstörungen und was sich dagegen tun lässt
Herder, Freiburg, 2-2001

 

Artikel:

Selbsthilfe Übergewicht – Bedingungen der Gründung einer Gruppe

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2 Kommentare zu “Die Waage als Barometer, auch in der Selbsthilfegruppe langfristig wichtig”

  1. Also so sehe ich das nicht.

    Ehrlich gesagt ist es eine Zumutung und Unverschämtheit wenn hier bestimmt wird, das eine Waage und der Gewichtskontrollmechanismus zu solch einer Gruppe gehören müsse.
    Genauso wie einleitend bestimmt wird, das das Ziel individuell in der Gruppe selbst bestimmt wird, so ist auch das Ziel der Gewichtsreduktion keine Pflicht einer Gewichtsselbsthilfegruppe. Dementsprechend ist der Diktator „Waage“ mit der Macht über Wohl und Wehe eines Menschen zu bestimmen, ihm das Ziel geringeren Zeilenausschlages anzuordnen, nicht vertretbar.

    Es mag einzel Fälle geben, bei denen dringend medizinisch Schritte angeraten sind. Diese Menschen sind dann aber offensichtlich schon auf dem Weg zur Unbeweglichkeit oder bereits unfähig sich zu bewegen. Was diese Menschen so dick gemacht hat, weiß man nicht. Durch essen alleine kann sich niemand von einem Normalgewicht zwischen 65-90 Kilo auf 180-250 Kilo hinauffuttern. ES GEHT NICHT!

    Hier also alle Menschen mit den unterschiedlichsten Rahmenbedingungen alleine am Normgewicht zu bemessen und allen automatisch die Pflicht zur Abnahme aufzuoktroyieren, das ist das Resultat vom „BigBrother“ der Waagenanzeige.

    Sind Sie dick? Sie haben es nicht nötig sich bevormunden zu lassen. Wenn Sie sich gut bewegen und es auch ausgiebig können, wenn Sie allgemein gesund sind, brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Es ist alles in Ordnung mit Ihnen.

    Nur mit solchen zwar gut gemeinten aber menschenverachtenden Vorschriften wie dem Diktat sich einer Maschine zu unterwerfen. Mit solchen Vorschriften stimmt etwas nicht.
    Sie sind ok! Die Gesellschaft hat ein Problem mit Menschen die anders sind und nicht der Norm entsprechen. Denk daran wenn wieder Pflichten für Sie erfunden werden und somit ein Machtgefälle von Dünnen oder Dünn gewordenen gegenüber Dicken Menschen hergestellt wird.
    Machte ich dasselbe mit einem Farbsensor und dunkelhäutigen und weißen Menschen, würde ich ganz schnell schlecht dastehen.

  2. Sorry, die Erfahrung mit einer Selbsthilfegruppe, deren Mitglieder mehrheitlich es nicht für angenehm oder nötig hielten, das Gewicht festzuhalten, zu ermitteln, habe ich bereits.  Die Gruppe ist gescheitert, drei Mitglieder haben schwere Operationen hinter sich (Knie, Hüfte, Wirbelsäule).

    Den Vergleich mit dem Stimmungs-Barometer, wie ihn Carl und Gislind Leibl angestellt haben, finde ich nachvollziehbar.

    Ansonsten ist die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe freiwillig – “Pflichten” gibt es, wenn es Regeln gibt. Das Abnehmen ist kein Pflicht, sondern ein Ziel. Ziel ist bei manchen Alkoholiker-Gruppen die Abstinenz. Bei Übergewichtigen gilt das im übertragenen Sinne. Es gibt ja schon unterschiedliche Modelle. Wenn Teilnehmer gar nicht wissen, welches Gewicht sie haben, ob sie zunehmen oder nicht, ob sie zurechtkommen oder nicht, sollten sie das auch eingestehen, dass sie nicht wirklich zurechtkommen, wenig Orientierung haben.

    Aber natürlich erzeugen solche Gedanken Widerstände. Einige Ihrer Fragen würde ich eher in einem geschlossenen Forum bzw. einer Gruppe, in der Diskretion verbindlich ist, beantworten.

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