Höchste Genüsse, Gipfel des Genusses

Grüner Tee, schwarzer Tee, Pfefferminztee – irgendwo ist das Jacke wie Hose. Wenn ein Tee etwas besonderes ist, ist das schon eine kleine Sensation: Auf die Frage, welcher von zwei Tees der bessere ist, hat mir mal ein Verkäufer, der es wissen musste, geantwortet: „Das ist ein Unterschied wie an der Tankstelle – ob Sie Esso oder Aral tanken, ist doch auch egal“.

Nun aber finden wir auf einer kleinen Teetüte die „Information“, dass dieser Tee zu höchsten Genüssen verführe. Demnach ist der Tee nicht unbedingt ein Genuss, aber er verführt; unbewusst sollen wir wohl lesen: Er führt zu höchstem Genuss.
Klar, der Superlativ wird von der Werbung beansprucht. Wir leben im Zeitalter der Grandiosität, der Selbstüberschätzung. Ob ein Tee, der zu höchsten Genüssen verführt, vielleicht besser rezeptpflichtig wäre?

tee
In den USA würde es Schadensersatzklagen hageln: „Eigentlich wollte ich ja nicht, aber der Tee hat mich verführt!“

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Mäßig ist nicht gut genug, maßvoll zuwenig.

„… vom Essen in Hessen, wo man zu Feierlichkeiten pro Kopf eine Torte bäckt und am Ende die übers Jahr gesammelten Schuhkartons samt Seidenpapier rausholt, damit jeder noch seine halbe Torte mit nach Hause nehmen kann“

… erzählt uns ein kulinarischer Blog. Dass hessisches Kaffeetrinken den Verzehr einer halben Torte beinhaltet, ist übrigens übertrieben. Hessen leben zunehmend nach dem Motto „Fressnet“, auch ist das Tortenessen den Feiertagen vorbehalten. Neu an dieser Erzählung ist die Aufbewahrung der Schuhe in der Tupperdose, ein absolutes Novum.

Das Normalgewicht hat anderenorts ausgedient unter dem Motto

Rund – na und – (oder: Auf alle Fälle rund?)

Worum es geht, lesen wir unter „Geschichten“, Phantasien und Hirngespinsten zum Thema maximales Feeding.

„Es ging nun echt schnell. Natascha nahm zu „wie die Sau“ ich schätze ein Pfund bis ein Kilo pro Tag war etwa normal. Die Waage ging rasant nach oben. Ihr schien dies nichts aus zu machen, sie ass nun den ganzen Tag non stopp…“

Geschichten wie diese enthalten ein große Portion bösartigen, hinterhältigen Sadismus und verstecken sich unter der verlogenen Bezeichnung „Bewunderung“ der grossen, wundervollen Frauen, oder Big, Beautyful Women: BBW.
Magersüchtige haben eine Lobby, diese Gruppe der Opfer nicht.

Dann gibt es noch Genüsse, die „high“ machen, und mittlerweile gottseidank nicht mehr beworben werden, sondern nur noch überzeichnet.

Wilhelm II hatte im April 1893 die Kuppel des „Reichsaffenhauses“ (so nannte er den Reichstag) als „Gipfel der Geschmacklosigkeit“ bezeichnet.
Wer heute den Gipfel der Geschmacklosigkeit bestimmen will, hat also ein prominentes Vorbild.

Andererseits stellt sich angesichts von fast-food und unschönem Einweggeschirr die Frage:

„Machen wir uns gar daran, in mehr als nur einer Beziehung einen Gipfel der Geschmacklosigkeit zu erklimmen?“

Uwe Bork sieht es jedenfalls so, dass die Wirtschaftsführer mit

“ … ihrem Wunsch nach mehr Tempo, ihrem Verlangen nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, nach – natürlich freiwilliger – Mehrarbeit und einem ebenso freiwilligen Lohnverzicht das Ende einer Gemütlichkeit eingeläutet haben … .“

Gemütlicher ist es auf jeden Fall, Gipfel von unten zu betrachten, Kirchen von außen, und Geschmacksfragen selbst zu entscheiden. Bei einem grünen Tee vielleicht, den dürfen wir auch gerne zweimal aufbrühen.

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  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
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  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
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