Gestörtes Essen, Normen und Bloggerinnen

„Der Salat ist alle“

Das kann vorkommen, ist nicht immer ein gutes Zeichen – Manchmal ist er alle, weil das Hauptgericht nicht ankommt, in der Kantine. Wenn das schmeckt, bleibt so viel Salat übrig, dass es weh tut, ihn wegzuwerfen.

So ähnlich hat es neulich Moritz „aus der Lindenstraße“ berichtet, als er in einer der schlechtesten „Hartaberfair„-Folgen als Wampenexperte gebraucht wurde – und sich gegen entsprechende Spesen zur Verfügung gestellt hat.

Nun leben wir in einer schnellebigen Zeit, so dass in ein paar Minuten ungezählte Themen durchgehechelt , nicht aber durchdacht werden. Öffentliches Nachdenken – ist nicht.

Antworten auf Fragen – gern, auch wie aus der Pistole geschossen, immer, wenn sie vorbereitet sind. So dass wir mehr über Trumps schleichende Demenz zu wissen glauben, als über das Salatbüffet – für Beides aber findet unsere „Mediendemokratie“ systembedingt keine Lösungen.

Food-tracking 2: Salatteller. Sauce aus Olivenöl, Kräuteressig, saurer Sahne, Pfeffer & Salz

Da werden Apps zur Belastung unterentwickelter Muskelgruppen entwickelt, zur Zertrümmerung von Nierensteinen, nicht aber zur Reservierung oder Vorbestellung in der Kantine. Dabei leiße sich so viel Geld sparen, Lebensmittelverschwendung reduzieren, wenn der Küche bekannt ist, wie groß die zu erwartende Nachfrage ist.

Das „Das haben wir schon immer so gemacht, wie wir das machen“ ist ja nicht haltbar, und unverantwortlich.

„Schon immer“ ist in der Geschichte der Menschheit der Nahrungsmittelbedarf kalkuliert worden – das war fürs Überleben wichtig und eine der Voraussetzungen, um Kriege führen zu können. In diesem Zusammenhang ist die „Ration“ entstanden.

„Schon immer“ haben wir Erze und Kohlen mit danpfbetriebenen Güterzügen durch die Republik fahren lassen? Falsch: Erst seit der Industrialisierung. Und auch nur in einer bestimmten „Epoche“ – bei der technischen Entwicklung ist der Zeitenwandel anschaulich.

Schon immer haben wir Erdbeerjoghurt in Plastikbechern gekauft? Nein, erst seit die, massiv beworben, im Selbstbedienungs-Kühlregal stehen.
Auch das kann eine Übergangserscheinung sein und sich wieder ändern.

Das Einkaufen „mit freundlicher Bedienung hinter der Ladentheke“ ist zum „Aus dem Regal in den Einkaufswagen, an der Kasse noch mal aufs Band-Legen“, wieder-in-den-Einkaufswagen und dann in-den-Kofferraum-räumen verkommen – die meisten Einkäufe ließen sich auch mit dem Fahrrad erledigen…

„Schon immer“ hängt die penetrante Frage „Darf es sonst noch etwas sein?“ (auch unausgesprochen) permanent in der Luft. Dementsprechend kommen „Spontankäufe“ zustande, die sich als Fehlkäufe herausstellen, weil zu viel gekauft wurde.

 

Die Alltäglichkeit der Essstörung

Neuerdings taucht das Wort „Orthorexie“ häufiger auf. Gemeint ist eine „zwanghafte“ Beschäftigung mit den Inhalten eines gesunden Essens, sind übermäßige Ängste, sich falsch zu ernähren und ungesund.

 

Food-tracking 3: Flammkuchen mit Lauch. Viel saure Sahne mit etwas süßer Sahne, „geschärft“ mit geriebenem frischen Meerettich auf Hefeteig

Vor allem junge Menschen suchen feste Regeln – auch beim Essen, so die Ernährungswissenschaftlerin Marianne Botta im Schweizer Fernsehen.

Auch die sozialen Medien erhöhten die Bedeutung des Essens:

„Man sieht, wie man aussehen sollte, wer viele Likes bekommt, wird zum Vorbild, Jugendliche möchten auch beliebt sein und tun alles, um möglichst nahe an ihre Vorbilder heranzukommen. Sie sehen in Talentshows zudem, dass die Begabung allein nicht mehr reicht, wenn das Aussehen nicht stimmt. Das Ziel gut auszusehen und dies mit allen Mitteln zu erreichen wird immer wichtiger, und zu diesen Mitteln gehört die Ernährung.“

Wobei ja in den sozialen Medien auch die FoodbloggerInnen mitmischen – unter Umständen in einem erheblichen Ausmaß, mit Followerzahlen im fünfstelligen Bereich – was ich eher für eine „Spezialität“ einer bestimmten Altersgruppe der jungen Frauen halte – da wird Orientierung gesucht, geht es um Vorbilder, um Identifikationen. Wenn schon die Bloggerin selbst Model sein muss…

Noch zwei Sätze zur Orthorexie:

„Diese neue Erkrankung ist eine Folge der Frage, wie optimiere ich mein Aussehen oder meine Gesundheit. Darum handelt es sich um eine narzisstische Störung: Man hat nur noch seine eigenen Bedürfnisse im Blick. … Der Zugang zu den eigenen Emotionen ist gestört, denn Regeln und deren Einhaltung werden vom Kopf diktiert.

[Die neuen Essgepflogenheiten] … machen sichtbar, dass die Gesellschaft zunehmend narzisstisch wird und dass innere Werte abnehmen und äussere Werte wichtiger werden.

Mehr Narzissmus – das bedeutet weniger Verbundenheit, weniger Gemeinsamkeit, weniger „Anlehnung“, weniger übernommene Beziehungs-Verantwortung.
Und es könnte bedeuten: Mehr unbefriedigte Bedürfnisse, etwa wahrgenommen und anerkannt zu werden. Welches Geschlecht dabei das beherrschte ist, hängt vom Blickwinkel ab. Ob es da naheliegt, sich zu einem Selbstliebe-Seminar zu begeben?

Gelungene Selbstliebe zu demonstrierenb, fällt nicht leicht.

„Ich habe ein Recht darauf mich Sexy zu fühlen – dick ist kein Fetisch

– das ist schon mal eine Ansage. Bei der Illustration ist allerdings auf die Kontraste zu achten, auf dass von der Spielzeug-Peitsche nicht nur der Griff zu erkennen ist. Aber vielleicht gehört so eine Tarnung ja zum Fetisch…

 

Emotionales Essen

Mit „Funktionellem Essen“ soll etwas für den Körper erreicht werden, meist mit gesundheitlichem Beigeschmack. „Emotionales Essen“ verhält sich ähnlich, für die Seele. Ob es funktioniert, ist allerdings nicht bewiesen. Bewiesen sind allerdings die häufigen Nebenwirkungen…

Food-tracking 4: Quarkbrötchen mit Zwiebelwürfeln und Gürkchen

„Das Handy isst mit“ war im obengenannten Fernsehbeitrag so eine Zwischenüberschrift, die deutlich zeigt, wie weit wir schon sind. Da könnte ich anfangen, an mir selbst zu zweifeln – andererseits: Hier ist es nicht das Handy, und auch die Zielgruppe ist eine andere…

Mit der Zielgruppe „Alle“ hat man auch so seine Schwierigkeiten: Die verändern sich „dynamisch“, sind neuer „Gemeinschaft“ gegenüber feindselig eingestellt – eben narzisstisch, verhalten sich wie beim Einkauf im Supermarkt – da allerdings zahlen sie beim Gang durch die Kasse.

 

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  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
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  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
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