Pathologischer Narzissmus - ein neuartiger Wahnsinn?
Als pathologische Form des Narzissmus wird die "Narzisstische Persönlichkeitsstörung" postuliert. Sie sei durch ein
- grandioses Gefühl eigener Wichtigkeit,
- Fantasien über grenzenlosen Erfolg und Macht,
- Glaube an eigene Besonderheit,
- Verlangen nach übermäßiger Bewunderung,
- übertriebenes Anspruchdenken,
- ausbeuterische Beziehungen,
- Empathiemangel,
- Neid,
- und Arroganz.
gekennzeichnet. (Was hier kursiv geschrieben ist, ist einem Arbeitsblatt von STANGEL entnommen)
Diese Liste lässt sich natürlich auch alternativ darstellen: Die Punkte eins bis drei unter "mangelnder Bescheidenheit", vier als "Eitelkeit", Fünf und sechs als "Gier", sieben und neun als "Gleichgültigkeit", und der Neid bleibt, was er ist.
Wobei der Glaube an die eigene Besonderheit - Individualität - ja gar nichts schlimmes sein muss: Möglicherweise funktioniert auch das menschliche Denken generell so, dass jeder für sich der "Held" im Drama des eigenen Lebens ist; ein wenig "magisches Denken", wie die Märchen es vermitteln (vgl. Bettelheim), dürfte eine häufige Motivation sein...
Die Liste der dem narzisstisch gestörten Charakter zugeschriebenen Eigenschaften liest sich so wie das Negativ der althergebrachten Tugenden.
Zentrales Symptom ist ein labiles Selbstwertgefühl, häufig verbunden mit dem Gefühl von Leere und die Unfähigkeit, Gefühle, insbesondere Freude, zu empfinden.
Was das Gefühl der Leere betrifft, wären sicher weitere Erläuterungen nötig. Gesellschaftlich betrachtet, wird sie im "Amüsement" gerne überspielt, aber den Zirkus kannten schon die alten Römer.
Die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, scheint doch eher zur Depression zu gehören; oder, anders gefragt: "War Narziss depressiv?"
Als weitere Phänomene finden sich häufig eine erhöhte Verletzbarkeit und Kränkbarkeit sowie eine egozentrische Einstellung.
Mit Wilhelm Reich könnten wir eine erhöhte Verletzbarkeit als eine "unterdurchschnittliche Panzerung" interpretieren; krank in seinem Sinne ist der stark gepanzerte Mensch, der dadurch natürlich auch sehr unsensibel und wenig empfänglich für die "Funktionen des Lebendigen" ist.
Die charakteristische Haltung der vom Narzissmus Betroffenen ist eine Unbezogenheit anderen Menschen gegenüber, die als Egoismus und Arroganz in Erscheinung tritt.
Die "Unbezogenheit" des Narziss lässt sich unschwer aus den schweren Ängsten seiner Mutter, Liriope, ableiten. Genau genommen hatte sie keinen Bezug zu ihm, sein Vater hatte keinen Bezug zu ihm, und der hnzugezogene Experte, Tiresias, hat auch keine Beziehung zu ihm aufgebaut, sondern nur eine äußerst diffuse Diagnose geliefert, die von einer nicht näher spezifizierten "Fremdheit", also vielleicht auch Entfremdung, ausging.
Ehrgeiz und übersteigerte Ansprüche an sich selbst führen häufig zu einem Erschöpfungssyndrom. Hier werden jedoch häufig nicht die eigenen Anteile gesehen, sondern äußere Ursachen wie Arbeitsumstände, der Vorgesetzte etc. verantwortlich gemacht.
Diese Items sind der obigen Aufzählung, weil sie wohl irgendwie passen, hinzugefügt worden. Aus dem Mythos des Narziss sind sie nicht abzuleiten.
Die depressiven Verstimmungen wirken flach bis oberflächlich, die dabei bestehende Antriebs- und Schwunglosigkeit wird von den Betroffenen jedoch als sehr belastend erlebt. Auf der körperlichen Ebene finden sich Schlafstörungen, Kopfschmerzen, funktionelle Herzbeschwerden und Sexualstörungen.
Wenn eine oberflächliche Depression als sehr belastend erlebt wird, und sie mit Schlafstörungen, Kopfschmerzen, funktionelle Herzbeschwerden und Sexualstörungen einhergeht - ist das dann eine "flache Depression"?
Wenn wir die Theorie der zweiphasigen Verdrängung zur Anwendung bringen, ist die Frage nach dem ursprünglich Verdrängten zu stellen...
In näheren Kontakten können die Betroffenen durchaus sehr lebendig, charmant und bestrickend wirken. Insbesondere, wenn sie etwas erreichen wollen, können sie sehr manipulativ auftreten. Häufig präsentieren sie sich jedoch auch emotional kühl, arrogant und verletzend.
Soche Personen ohne Herzenswärme gibt es. Der "bestrickende Charme" findet leicht eine öffentliche Bühne, ist oft auch Voraussetzung für den Auftritt. Narziss war vielleicht auch ein Showtalent, aber schließlich ein Einzelgänger...