Der Schweinehund
... ist ein unbekanntes Wesen. Jedermann weiß zwar,
dass es ihn zu überwinden gelte – aber keiner kriegt ihn zu fassen:
Es wird ja auch angenommen, dass es sich um eine innere Angelegenheit
handelt.
Erwartet wird von uns, das unbekannte Wesen, das
unter anderem zum Vielessen verführt, zu überwinden. Es tue sich hervor
mit Einflüsterungen wie „Nun, nach diesem Frust ist es doch angesagt,
dass Du Dich etwas entschädigst“ oder „Jetzt wären doch ein paar Chips
ganz in Ordnung“, was dann regelmäßig auf den Verzehr der ganzen Tüte
herauslaufe.
Ganze Bücher sind darüber geschrieben worden, wie
mit solchen Einflüsterungen umgegangen werden könne, in heiterem Plauderton,
mit vielfältigen Übungen und zweifelhaftem Nutzen.
Die Einflüsterung, die Verführung durch innere Einflüsse,
wird bei der Lektüre mehr und mehr einem Wesen zugeschrieben, mit dem
man sich schließlich gar unterhalten kann, mit dem man sich versöhnen,
vertragen kann, das man überlisten und überwinden kann.

Wer diese Entwicklung mitmacht, festigt schließlich
seine Vorstellung von einer Instanz, die „Die Verführung“, „Das Böse“,
„Das Bequeme und Träge“ darstellt. Man schafft sich einen Verhandlungspartner,
mit dem man per Du ist, ein Zwitterwesen aus Schwein und Hund, das das
Böse und Verführbare in uns repräsentiert.
Ebenso gut könnten wir auch einen Dialog mit einer
inneren Sphinx oder einem inneren Flusspferdhuhn führen, wenn wir diese
Figuren mit viel Phantasie erst einmal aufgebaut haben. Das erscheint
schon skurril oder schizophren.
Aber dieses Vorgehen wird empfohlen: Kontakt mit
einer Kunstfigur, dem Ablenker vom rechten Weg, dem das gestärkte Ich,
das weiß, was es will, gelassen gegenübertritt, ohne auf seine Verführungen
hereinzufallen.
Allein, mir fehlt der Glaube an solche wundersamen
Geschichten.
Es gibt zwar unterschwellige Impulse neuronaler Art,
die etwa der Raucher als Anlass nimmt, sich erneut eine Zigarette anzuzünden
– interessant und zum Problem werden sie aber erst, wenn er sich ihnen
widersetzen will.
Dass „zwei Seelen in einer Brust“ wohnen, kommt vor,
etwa beim frühen Aufstehen, wo nicht jedermann eine klare Einstellung
hat, ein innerer Widerstreit recht häufig ist.
Aus dem Tagebuch eines Studenten - 13. Semester
Ob wir früher oder später aufstehen – Widersprüche
gehören zum Leben, und um die Schlafdauer zu erklären, bedarf es keiner
erfundenen inneren Wesen.
Der Dialog mit dem inneren Schweinehund funktioniert
natürlich am besten bei den jeweiligen Erfindern. Ein „neues
mythisches Fabelwesen“ wird in die Welt gesetzt und liefert Erklärungen
– das ist ein Widerspruch in sich selbst, aber kein wissenschaftlicher
Fortschritt.
Wenn wir deren These einfach nicht übernehmen, kommen
wir zu dem Schluß, dass sie unter dem Deckmantel von Wahrheitsfindung
und Aufklärung über unser Wesen neue Vorurteile aufbauen, die die Existenz
'maligner Introjekte', von 'Konfliktvermeidung' und 'Abhängigkeit' nicht
aufdecken, sondern verbergen (sollen).
Maligne Introjekte: Das sind verinnerlichte,
nach Innen geholte, in uns wirkende, „wohnende“ Objekte, also
ursprünglich geliebte Menschen; genauer gesagt: Deren Einstellung zum
Leben und zu uns.
Mütter, Väter, Geschwister hinterlassen Spuren in
uns, die nicht immer von liebenswert Art sind: Da hat es auch schon
mal Ablehnung und Konkurrenz gegeben, oder nicht nur einmal, sondern
dauernd, oder in Abwechslung mit Forderungen und Überforderungen, mit
schädlichen Auswirkungen, was z.B. das Selbstbewusstsein und die Selbstbestimmung
betrifft. "Unter Geschwistern": Welches wird ausgenutzt, welches
Sündenbock, und zum Opfer gemacht? Oder als simple Machtfrage:
Wer soll immer zu wem aufschauen, darf sich nie durchsetzen?
Machen wir mal wieder ein Wortspiel: Die Erfinder
der psychischen Instanz „innerer Schweinehund“ verbergen die
wahren Hintergründe der Einflüsterungen, denen wir ausgesetzt sind.
Was sie vor uns ver-bergen, könnten wir auch ent-bergen oder schlicht
und einfach bergen, dann wabern die Einflüsterungen nicht mehr herum,
haben wir eher einen Zugriff.
Oder auch: Die Vorurteile, die wir verinnerlicht
haben, könnten wir ent-innerlichen.
Verdeckte Abhängigkeit bezieht sich ja nicht ursprünglich
auf Schokolade, Zigarette oder Sachertorte, sondern das Finden adäquater
Methoden und Wege, (schwierige) Situationen zu meistern. Vorbilder,
die uns sagten, was wir zu tun und zu lassen haben, was wir können und
wert sind, was sie gelten und Andere (nicht), haben uns geprägt – auch
die eigene Einstellung zu sich selbst.
Konflikte zu vermeiden sei immer besser, als sie
auszutragen, ist eine Lehrmeinung, oder auch eine ohnmächtige Erfahrung.
Wenn man sie erst gar nicht anschaut, kann man sie
bestimmt nicht lösen, sie „schwelen“.
Dass Konflikte auch geschlichtet oder gelöst werden
können, ist eine viel zu selten gemachte Erfahrung.
'Maligne Introjekte', 'Konfliktvermeidung' und 'Abhängigkeit'
haben die Notwendigkeit der Loslösung, dh. der Befreiung aus konkreter
„Bedrängnis“, gemeinsam.
Es gibt auch diese Sehnsucht nach der 'Erlösung'
zum Leben, im Leben. Jemand fühlt sich wie ein
"... Gehirn auf Beinen ..., ich gehe intellektuell
vor, der Teil dazwischen fehlt. ... Ausserdem will ich da nicht
fühlend ran, sagte ich mir, sondern indem ich mich bessere.
Indem ich aufhöre, so sch... zu sein, wie ich bin, und besser werde,
perfekt werde.
Perfekt hart. Perfekt unverwundbar. Perfektes Packeis.
‚Täter-Introjekt’, nennt sich das, so lernte ich - man identifiziert
sich mit dem Aggressor, hat einen gemeinsamen Feind, der es ja verdient
hat:
Sich selbst. Das ist eine Überlebensstrategie. Leider verinnerlicht
man damit zugleich die Hässlichkeit aus der Hölle, ... die allumfassende
Verachtungswürdigkeit.
No one likes looking at me. My mind is dead. Everybody
loves me, wants a slice of me, hopelessly passive and compatible.
Wiederholung eines Traumas, damit es erinnerbar und begreifbar wird."
Wie ICH mit mir SELBST umgehe. Ich
* 20 handle frei und sorglos
lebe in den Tag hinein 28* * * 18 entfalte eigene Persönlichkeit
nutze nicht, verwerfe Chancen 27* * * 17 bin zuversichtlich und spontan
gebe mich Tagträumen hin 26* * *16 bejahe m. in Stärken u. Schwächen
vernachlässige Fähigkeiten 25* * *15 achte auf meine Gefühle
beachte nicht wie ich bin 24* * *14 verstehe mich wie ich bin
gefährde m. leichtsinnig 23* * *13 mag mich so wie ich bin
missachte Grundbedürfn.22* * *12 bin gut zu mir selbst
lehne mich ab 21* * *11 genieße Alleinsein
quäle, zerstöre m. 30* * * * * * * * * * * 3 * * * * * * * * * *10 liebe, schätze mich
bedrohe mich selbst 31* * *41 suche was mir gut tut
verausgabe, überlaste m.32* * *42 sorge für mich
bestrafe mich streng 33* * *43 stehe mir selbst bei
verrate u.betrüge m.selbst 34* * *44 erforsche u. analysiere mich
beschuldige mich selbst 35* * *45 arbeite an Selbstentwicklung
erniedrige mich, zweifle an m. 36* * *46 bin stark um Wohlergehen besorgt
schränke mich ein 37* * *47 passe auf, dass ich richtig handle
zwinge mich korrekt zu sein 38* * *48 arbeite hart an idealem Selbst
*40 kontrolliere mich stark
0 = Eindeutige Grundhaltung,
1 = Annäherung, Vermeidung
2 = Bedürfnisbefriedigung (Kontakt, Nahrung etc)
3 = Emotionale Bindung (attachment)
4 = Logik und Kommunikation
5 = Beachtung der Selbstentwicklung/pers. Eigenart
6 = Gleichgewicht in der Beziehung
7 = Nähe - Distanz
8 = Identität
Wie ICH mich gegenüber einer Bezugsperson verhalte. Ich ...
*20 handle unabhängig
gehe eigenen, getrennten Weg 28* * *18 verfolge selbstbewusst eigene Ziele
trotze, mache Gegenteil 27* * *17 vertrete eigenen Standpunkt
bin allein auf mich bezogen 26* * *16 teile eigene Sichtweise mit
verschließe mich vor 25* * *15 öffne und offenbare mich
reagiere unangemessen 24* * *14 drücke mich klar aus
sondere m. verbittert ab 23* * *13 zeige mich herzlich
wehre wütend Hilfe ab 22* * *12 entspannt in Nähe
fliehe voller Angst 21* * *11 nähere m. freudig an
wehre m. verzweif. 30* * * * * * * * * 2 * * * * * * * * *10 genieße mit Hingabe
hab'Angst, angespannt31* * *41 halte Nähe aufrecht
opfere mich betont auf 32* * *42 nehme gerne Hilfe an
verteidige mich jammernd 33* * *43 vertraue, zähle auf
misstraue, aber stimme zu 34* * *44 gehe auf Vorschläge ein
unterdrücke Wut aus Angst 35* * *45 nehme Rat an, lerne von
gebe schmollend nach 36* * *46 verlasse mich ganz auf Fürsorge
füge mich hilflos 37* * *47 bin überangepasst
befolge Regeln ohne nachzudenken 38* * *48 verschmelze mit zugedachter Rolle
*40 beuge und unterwerfe mich
Wie eine BEZUGSPERSON sich mir gegenüber verhält. Sie...
*20 lässt mir Freiheit
Lässt mich gewähren, sieht weg 28* * *18 ermutigt mich zu Eigenständigkeit
vergisst und beachtet mich nicht 27* * *17 `Du machst das schon richtig`
ignoriert, lässt links liegen 26* * *16 hört mir sorgfältig zu
vernachlässigt Bedürfnisse 25* * *15 achtet persönliche Eigenart
verhält sich unsinnig 24* * *14 versteht mich genau
lässt mich im Stich 23* * *13 schätzt, mag mich sehr
lässt mich `verhungern`22* * *12 wendet s. mir liebevoll zu
stößt mich zurück 21* * *11 nimmt mich liebevoll auf
quält, zerstört m. 30* * * * * * * * * 1 * * * * * * * * *10 liebkost mich
bedroht und verletzt 31* * *41 bietet mir Nähe an
schröpft mich 32* * *42 ist fürsorglich
bestraft, übt Rache 33* * *43 steht bei, beschützt mich
führt mich in die Irre 34* * *44 erklärt sinnvoll
beschuldigt mich 35* * *45 regt konstruktiv an
setzt mich herab 36* * *46 ist umsichtig u. verwöhnt mich
blockiert und schränkt mich ein 37* * *47 ermahnt mich in bester Absicht
bevormundet mich 38* * *48 bestimmt, was für mich gut ist
*40 führt und kontrolliert mich
Es ist der Umgang der frühen Bezugspersonen, der
uns unser Verhalten gelehrt hat. Die obigen Schemata können zum
Nachdenken darüber anregen.
Dass es nicht nur einen "inneren Schweinehund",
sondern auch einen äußeren Schweinehund gibt bzw. gegeben hat ....
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