Diät und mehr

Interessiert, an einer Selbsthilfefgruppe teilzunehmen?
Was wird, wenn Therapie sich ironisiert?
   

Nietzsche blickt durch

Erfahrungsbericht Gruppentherapie


Dass wir hier auf einer Site, die sich mit Diät und Lebensführung beschäftigt, auch einen Bericht über eine Therapieerfahrung veröffentlichen, entspricht unserem Motto: Nicht alles hinnehmen, akzeptieren, fressen. Die klassische Diät berücksichtigt auch die Zustände des Gemüts.

Aldo A. berichtet von Missverständnissen aufgrund ironischer Deutungen; "lustige" Sprüche und Parolen erwiesen sich als therapeutisch kontraproduktiv. Wir kennen alle das Argument, dass alte Emotionen wie Sand im Getriebe der Gegenwart wirken und in unangemessener Weise eine befriedigende Kommunikation erschweren.
Auf der Suche nach einem gesunden Selbstverständnis hat Aldo A. sich auch "jüngeren Emotionen" gestellt und uns diese Auseinandersetzung zugänglich gemacht.




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Die Ironie - der Geschichte?


In Nietzsches Nachlass findet sich die folgende Notiz:

Ironie—Lüge über das was man weiss, als ob man es nicht wüsste.

Nietzsche stellt hier einen Sachverhalt heraus, der uns in einfachen Worten die merkwürdige Wirkung mancher ironischen Bemerkung erklärt. Jene Lüge (ohne! Anführungszeichen), also falsche Angabe zu einem bekannten Sachverhalt, erfolgt, als wisse man nicht, wovon man redet. Aber es wird nur so getan, als wisse man nicht, worüber man spricht; so gesehen, hat Ironie auch mit Gaukelei, Verstellung, Täuschung und Schauspielerei zu tun.

Es gibt hier Ähnlichkeiten zum Witz, der aufs Unbewußte zielt. "Unbewusst" ist manchmal auch gewusst, als ob man es nicht wüsste, gewusst, ohne zu wissen, gewusst und doch verdrängt, geleugnet, verleugnet, oder nicht recht gewusst, höchstens geahnt, nahe bei "vorbewusst"...

 


Da unsere "modernen Zeiten" durch Arbeitsteilung und Spezialisierung gekennzeichnet sind, ist der Umgang mit dem Unbewussten professionalisiert und - manche sehen es so - die Domäne einer besonderen "Kaste" (oder privilegierten Gruppe) geworden, die den Preis ihrer Dienstleistung hoch hält. Wenn Therapeuten ihre Haut zu Markte tragen, steht der Tarif für die Bemühungen schon fest; auch kein Priester würde für seine Arbeit eine Gewährleistung übernehmen. Wo normalerweise der Markt den Preis über Angebot und Nachfrage regelt, wird ein Produkt angeboten, das durch (seelische) Gesundheits- Versprechungen glänzt, für den Kunden aber so kalkulierbar ist wie die Katze im Sack.

Geheimnisvolles von Bellmer; Verwirrspiel Wo Es war, soll Ich werden - wir kaufen eine Verwandlung, deren Tragweite wir nicht ahnen, zumindest das Versprechen einer Veränderung.
Mag sein, dass an manche Therapeuten sehr hohe Anforderungen gestellt werden, wenn sie etwa Heilserwartungen, die sie nur als Heiland erfüllen könnten, ausgesetzt sind - andererseits hat wohl noch nie ein Therapeut einen Rosengarten versprochen und entspricht der durchschnittlichen (und strikt geforderten) Krankheitseinsicht eher die Erwartung, innerhalb eines heilsamen Prozesses zu gesunden. Wobei Gesundheit nach einer Faustregel heißt, (ungestört) zu arbeiten und zu lieben, oder arbeits- und genussfähig zu sein.
Dass etwas nicht akzeptabel war, stellt sich manchmal auch erst im Nachhinein heraus - nun zu sagen, es lohne nicht, sich mit diesen "alten Kamellen" noch zu beschäftigen, ist eine Sache, dies zu beurteilen, die Bewertung, Folgenabschätzung und Aufarbeitung eine andere. Wer alte Geschehnisse oder Entscheidungen unhinterfragt auf sich beruhen lassen will, wird für den Wunsch zu verdrängen seine Gründe haben.
Wenn wir auch zweimal jährlich die Uhr umstellen, können wir die Zeit nicht zurückdrehen, Vergangenes nicht ändern. Es ist schon eine ungemütliche Situation, wenn man Fehler gemacht, sich oder andere geschädigt hat. Also lieber nicht zurückschauen.



Beten und BerlachVorbei ist vorbei. Man muß vergessen, nicht immer die alten Geschichten aufwärmen. Das Heute anpacken, ins Morgen schauen! Loslassen können!

Schön, das (doch zunehmend kürzere) Leben geht also weiter. Lasse ich also los, um loszulassen, die Toten lasse ich auch ruhen, sage keiner, da gebe es keinen Respekt. Wer will auch schon immer nur auf seinen Schatten sehen, wenn der Weg vorwärts führt und in der Sonne liegt! Also einen Schlusspunkt unter die alte Geschichte setzen und fertig.

Die Freiheit, zu erinnern, was ich erlebt habe, bleibt mir aber doch? Hat da jemand gesagt, ich wärmte doch immer nur alte Geschichten auf? Was, wenn es mir unter den Nägeln brennt, wenn keine Suppe so heiß gegessen wie gekocht wird und diese Geschichte etwas länger zum Abkühlen gebraucht hat?

Entschädigung und Wiedergutmachung sind kaum erstrebenswert, hat man sich erst mal seinen Reim - vergessen, kalt lassen, loslassen - gemacht. Wer sich oder dem Gegenüber seine Schuld nicht eingestehen will, separiert aus dem Bereich des Ich den des "Ich (wars doch) nicht", oder "Nicht-Ich". Mit der Schulter zu zucken ist eine leichte Übung, Körpersprache für Anfänger, ständig vorexerziert. Der unschuldige Gesichtsausdruck ist beim Schulterzucken gleich mitprogrammiert. Manche haben es nicht nötig, sich zu entschuldigen. Wer besser täuscht, hat mehr Erfolg.
Wer sich hat täuschen lassen, wird vorsichtiger, auch für die Zukunft, gegenüber Mogelpackungen.



02



Nichts geht ohne Gruppenregeln. Vorgegeben sind die Aufnahmeprozedur (das Erstinterview, bei dem ggf. gefragt wird, ob es sich um das Erstinterview handelt), Anwesenheitspflicht, Regeln zur Teilnahmegebühr, Termine, die Ferien.
Damit die Gruppe zusammenhalte und keine chaotische werde, gibt es die Leitung; signifikant hierfür ist der Erhalt von Geld, bzw. zunächst einer fachärztlichen Überweisung; Neben den anlytischen Interventionen die Bereitstellung des "Settings". Die Gruppe ist psychoanalytisch orientiert, wie genau ist in keinem Kleingedruckten nachzulesen, der therapeutische Freiraum also ausreichend.

Ausgehändigt wird ein ausführlicher Fragebogen zur Vorgeschichte, der rechtzeitig per Post zurückzuschicken ist, bei Zeit- oder Lustmangel entfällt die lästige Besprechung des Formulars als Bestandteil der Klientenakte. Abheften genügt, von der Gefahr, dass Kleinigkeiten übersehen oder unterdrückt werden, kann man nicht ausgehen: Wer keine große Psychoanalyse macht, muss fokal arbeiten, Gruppentherapie ist keine Einzeltherapie, das muss man schon differenzieren, nach Dienstschluss gibt es noch die Supervision - außerdem: Wie sollte Wichtiges vergessen werden, bei einer exklusiven Doppelbesetzung, einem harmonierenden und sich gegenseitig ergänzenden (Traum-) Therapeutenehepaar? Sollte man etwa aus den Problemen, die jemand als die seinen auflistet, eine Checkliste machen, die zum Schluß noch einmal - etwa in einem Einzelgespräch - Punkt für Punkt sorgfältig durchgegangen wird, wer sollte das bezahlen, und kann man hobeln, ohne dass Späne fliegen?

"Das Erfolgsgeheimnis bleibt unter uns"

Ein Geheimnis wurde bei unserer Gruppe darum gemacht, wie lange die Gruppe dauern werde. Das Ende sei unbestimmt, offen, nicht vorgesehen. Die Dauer der Gruppe sei somit praktisch unbeschränkt - also eine fortlaufende Gruppe. Zum Zeitpunkt des jeweiligen Ausstiegs wurden anfangs keine Angaben gemacht. Der Wunsch nach Einzeltherapie war auch bereits in anderen Bewerbungsgesprächen mit der größeren Bandbreite der Gruppe, der Unmöglichkeit bzw. Exklusivität der Einzeltherapie und dem Hinweis auf die Wartelisten beantwortet worden.
Wie es unbewusste Famlienmythen oder -Phantasien gibt, erzeugen Gruppen spezifische Gruppenphantasien, die das unbewusste Motto ihres Zusammenhalts repräsentieren.
Um den Faktor "Erfolg" ging es in unserer Gruppe auf mehreren Ebenen, auch als Abbau von Misserfolg. Mehrfach ging es um das Problem des ewigen Studenten, dreimal bei angehenden bzw. "verhinderten" Ärzten. Beziehungsprobleme warteten bei allen auf eine erfolgreiche Lösung. Die therapeutische Diskretion, die vor allem bedeutet, dass nach außen keine Namen genannt werden, wurde seitens der Gruppenmitglieder übererfüllt. Höchst selten bis gar nicht wurden die Inhalte der Sitzungen außerhalb zum Thema.

Ein Hochgefühl mag sich bei jeder neuen Beziehung einstellen, gespeist aus den Erwartungen an das Neue und Kommende, vielfältig wie die möglichen Funktionen einer Gruppe.
Mit einem leisen Hochgefühl und gespannter, banger und gedämpfter Erwartung begann die Gruppe. Es hätte sich ungestört im therapeutischen Schweigen aufbauen können, aber die erste Sitzung verlief quälend.
Mehr als eine halbe Stunde dauerte es, bis eine Teilnehmerin vorschlug, dass sich doch alle reihum vorstellen: "Also, ich bin die Ines". Ein Teilnehmer, der im freischwingenden Sessel lag, öffnete ein Auge und antwortete freundlich, dass wir es ebensogut auch lassen könnten.



03


zweite Haut ...Irgendwann hatte die Gruppe sich soweit eingespielt, dass man einigermaßen zuverlässig davon ausgehen konnte, die eine oder andere Stunde "für sich" zu haben, aber gelinde gesagt zäh und quälend war die Anfangsphase dieser Gruppe; es dauerte seine Zeit, bis die ersten Teilnehmer sich öffnen konnten, auch hielt sich der sarkastische Tonfall, wie er von Bert eingeführt worden war: "Wir können es auch lassen".
Einerseits drängten die Konflikte - aber wie damit umgehen, wenn niemand die Karten auf den Tisch legen wollte? Ich war es nicht gewöhnt, über intime Dinge zu reden, hatte als Jugendlicher in einer Selbsterfahrungsgruppe schon das Gefühl gehabt, dass meine Probleme zu peinlich seien; das wiederholte sich wie die Schwierigkeit, zu den Anderen Vertrauen zu entwickeln.

Bei anderen half die Wut auf den Partner, diese Hürde zu überwinden.
Ines berichtete, dass ihr Mann (und sie war am überlegen, ob sie sich scheiden lassen solle) sie zu unüberlegten Dingen verführt hatte. Noch zahlte sie die Raten für einen sündhaft teueren Pelzmantel ab, und noch immer war sie ihrem Mann gram, dass er die Fotos, auf denen sie nackt an den Heizkörper gefesselt war, in einem Geschäft hatte entwickeln lassen, bei dem auf Diskretion ihrer Meinung nach kein Verlass war.
Zwar hatte auch ihr Mann am zweifelhaften Glück, das vom Pelzmantel, der zweiten Haut, ausging, teil gehabt, aber Ines litt unter der Anschaffung, die sie gemacht hatte und war spürbar wütend.
Jedoch ihr Gatte, der regelmäßig an Wettbewerben um den ausdruckvollsten Schnurrbart teilnahm, war - so die Auskunft der therapeutischen Leitung - im Gegensatz zu ihr nicht therapiebedürftig, so dass sie ihm nicht einfach den schwarzen Peter zuspielen konnte, sondern vor der eigenen Tür zu kehren hatte.


 

 

 





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Wo immer Menschen miteinander umgehen, generieren sie Pippi Langstrumpf (symbolisch) ---- Sie erschafft sich ihre Welt, wie sie ihr gefälltVorstellungen voneinander, mal archaische, mal realistische, mal archetypische. Pippi Langstrumpf etwa wäre ein moderner Archetypus; setzen wir sie hier ein, um uns eine Vorstellung von der Frau des Therapeuten und, in Personalunion, der Frau Therapeutin zu machen. Sie verstand es, von dem zu reden, was man kennt, als wisse Mann es.

Was "man" zu kennen hat, als litterarisch denkender Mensch, war in diesem Falle das Buch "Die Klavierspielerin" der Frau Jellineck; sie mochte es jedenfalls mit Genuss gelesen haben, denn schelmisch lächelnd fragte sie einen ihrer Klienten, ob er dieses Buch gelesen habe. Etwas schwer tat sich jener mit seiner Antwort auf diese Frage mit ihrem vagen Bedeutungshof; als Klavierspieler, der seinen Lebensunterhalt nicht als Klavierspieler, sondern mit Klavierunterricht verdiente, war er hier nicht automatisch kompetent. Jedoch, die Frage erschien legitim in der vertrauensvollen Runde, starke Frauen sind seit Astrid Lindgren so glaubhaft wie die Vorstellung, dass Pippi Langstrumpf ein Pferd stemmen kann, und war nicht auch Pippi Langstrumpf in ihrer Bande die bestimmende Figur, die Anführerin, Leiterin gewesen?

Dass es im Buch um eine Klavierlehrerin und ihre über den Klavierunterricht hinausgehenden Beziehungen ging, war ihm bekannt. Eine Parallele zu sich und den Beziehungen zu seinen Schülerinnen wollte unser Klavierlehrer nicht herstellen, auch nicht direkt sich selbst aktuell als Schüler verstehen. Die Gruppentherapeutin lächelte wissend und schob ihre Hände unter die Oberschenkel ihrer netzbestrumpften Beine. Ging es hier um Masochismus, oder um ein Buch?

»Ich habe zwei Frauenideale. Kann ich mein edles, sonniges, eine Frau, welche mir treu und gütig mein Schicksal teilt, nicht finden, ... will ich lieber einem Weibe ohne Tugend, ohne Treue, ohne Erbarmen hingegeben sein. Ein solches Weib in seiner selbstsüchtigen Größe ist auch ein Ideal.« (...)
»Gut denn«, sprach Wanda, die kleinen aber energisch geschwungenen Brauen zusammenziehend, »ich denke mir das sehr amüsant, einen Mann, der mich interessiert, der mich liebt, so ganz in meiner Hand zu haben; es wird mir mindestens nicht an Zeitvertreib fehlen. ... Ich wähle also, ich will, daß Sie mein Sklave sind, ich werde mein Spielzeug aus Ihnen machen!«


Die "Venus im Pelz" kannte ich, seit ich dreizehn war. Allerdings brauchte es einige Zeit, bis ich derartigen verquasten Schund als solchen benennen konnte,
Das jugendgefährdende Buch war mir von einer Schwester zur Verfügung gestellt worden. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht sollte mir die Lektüre helfen, vielleicht deutlich machen, dass man in unserer Familie keine Geheimnisse haben konnte. Ich notiere das nur, weil wir ja die Verdrängung aufheben wollen, nicht, damit es wegdiskutiert wird.

 

 

 

 


05

Bild: symbolisch für Pippi Langstrumpf, die macht, was ihr gefaellt,  oder Therapeutin "Ich kann mir jetzt gut vorstellen, in welcher Intensität Sie sich als Kind mit ihren Geschwistern gestritten haben, aber jetzt und hier reicht es."

Wie sich der Streit entwickelt hatte und um welch Kaisers Bart es gegangen war, weiß ich nicht mehr, auch nicht, wer wen warum provoziert hatte, wie die Eskalation also begonnen hatte.
Aber eigentlich war es eine mehr beschämende als eine klärende Intervention. Wessen Herausforderung am Beginn der Entgleisung gestanden hatte usw. ist unklar; wenn die Notbremse gezogen wird, ist es meist schon zu spät.

Unmittelbar leuchtete mir ein, dass hier eine unbewusste Re-Inszenierung traumatischer Strukturen, die keine befriedigende Lösung zulassen, stattgefunden hatte. Auch musste ich daran denken, wie ohnmächtig und schutzlos ich bei diesen Streitsituationen in der Kindheit stets gewesen war: Wenn die elfjährige Schwester beide Hände des fünfjährigen Bruders mit einer Hand festhalten konnte, um mit der anderen Hand auf den wehrlosen Jungen, mich, einzuschlagen, bis zu meiner Kapitulation und darüber hinaus. Aber das war alles nichts Neues!

In der Situation kam ich nicht darauf, was der unbewusste Anteil war. Aus der heutigen Sicht würde ich sagen, leichter war es, über die negativen Momente der Kindheit zu reflektieren, als darüber, dass ich genau diese ekligen, bis ins Mark gehenden Streitszenen aktuell in der Ehe erlebte. Niemand berichtete so etwas, so ich auch nicht.
Wenn ich z.B. einen Autounfall verursacht hatte, konnte ich mich einigermaßen stabilisieren, indem ich davon erzählte, ohne dass ich damit verurteilt worden wäre, was ich jedoch nicht realistisch berichten konnte, war, welche verletzenden Bemerkungen zu Hause darüber anzuhören waren. Ich schönte also die Situation, und bekam den Rat, gegenüber meiner Frau das Visier zu öffnen. Die Möglichkeit, meine wiederholte Erfahrung, dass es zuging wie im Krimi ("Alles, was sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden") zu schildern, ergab sich aus unbekannten Gründen nicht.


Die Entwicklung offener und subtiler Feindseligkeit durfte oder konnte hier nicht besprochen werden.
Nein, keine Rede von unsolidarischen und illoyalen Frauen, von ihrer Fähigkeit zu Gemeinheiten, von den Waffen der Frau, ihren Kriegszielen, Wünschen, Strategien...





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Von Eheschwierigkeiten, die mit den Sonntagsbrötchen zusammenhingen, in der Gruppe zu erzählen, bzw. dass es für einige Zeit ein Ritual war, nach dem verwöhnenden Sonntagsfrühstück im Bett noch zu schmusen usw. kostete mich einige Überwindung.
Was sich eingespielt hatte, gefiel mir nicht mehr - ich wollte nicht mehr servieren, sondern auch einmal bedient werden.
Damit hatte ich also ein Problem, und ich hatte es, wenn auch nicht gerade flüssig, geschildert, aber ich bekam keine Reaktion. Die Gruppe wartete auf mehr, vom Therapeuten kam auch nichts. Das unbeliebte therapeutische Schweigen drohte.

Also erzählte ich eine andere Episode: Den Flur der ehelichen Wohnung hatte ich gestaltet, mit einer selbstgemachten Garderobe, zu der auch eine Hutablage gehörte, auf der sie eine Grünpflanze abgestellt hatte, die dort eigentlich nicht hingehörte, da der Flur kein direktes Licht hatte. Beim Gießen dieser Pflanze war ihr die Gießkanne, die mittlerweile auch nicht mehr existiert, mit der Lampe aus Glas kollidiert. Die Lampe, die mit der Garderope perfekt harmoniert hatte, war nicht wiederzubeschaffen, mein "Gesamtkunstwerk Flur" zerstört.

Therapeut mit Brille Der Gruppe fiel immer noch nichts ein, aber unser Therapeut meinte, da habe sie wohl die Brötchen in der Lampe gesucht, fügte, bevor das geerntete befreite Lächeln, Lachen und Hüsteln abebbte, spitzbübisch hinzu, dass das wohl Liebe sein müsse, und das Thema war beendet. Ein anderes Gruppenmitglied erzählte von seinem Fall.

Mein Unwohlsein hält an. Kaum hatte ich angefangen, mich zu öffnen, von meinen ehelichen und sexuellen Problemen erzählen wollen, wurde das Thema abgeschnitten, kam wieder der Deckel auf den Topf. Wo blieb hier das therapeutische Arbeitsbündnis?


Und analytisch ist es auch nicht, zwei Ereignisse zu durchmischen, zusammenzuziehen, statt voneinander zu unterscheiden.

Analyse (in der Chemie)
Die Annahme eines kausalen Zusammenhangs, die jetzt verfestigt bestand, war ja vielleicht übertrieben, sicherlich nicht weiterführend.
Der Nachbar, der mich mit seinem Rasenmäher nervt, will wohl vor allem das Gras kürzen und nicht mich belästigen; meine Frau wollte eben Blumen gießen ... ob sie sich für ein ausgefallenes Frühstück rächen wollte, konnte nur sie selbst beantworten, das eigentliche Problem blieb ungelöst und verschärfte sich.

Bei der "Suche nach den Brötchen in der Lampe" traute sich keiner, zu fragen, was dieser Unsinn sollte. Hätte ein Gruppenmitglied seinem Zynismus, seiner Ironie freien Lauf gelassen und diesen Satz geprägt, wäre deutlicher gewesen, dass da einer auswich und nur die Situation ins Absurde verdrehte. Man hätte immer noch auf der Suche nach Alternativen für die Zukunft bestehen können.
Der Therapeut sorgte für Ruhe. Nachdenken über das Thema des Aushandelns von Sexualität und Erotik, von Geben und Nehmen, des Erweiterns von Grenzen, war unerwünscht. Sinngemäß: "Solche Probleme sind nicht der Rede wert."

Therapie
... herauszufinden, welche unbewußten Kräfte wirken ... ist möglich, dauert aber recht lange. Wenn Analytiker und Patient gemeinsam fündig geworden sind, verschwinden in der Regel die "Macken" fast von selbst.

Nicht versöhnlicher und nicht mehr bereit, die Zerstörung der Lampe zu verzeihen, war ich nach dieser Sitzung. Ich musste die Tatsachen, die nicht mehr zu ändern waren, hinnehmen. Unversöhnliche, empathielose Menschen werden auch als Ekel bezeichnet, so verbesserte die Beziehung sich nicht. Aber, "das musste Liebe sein" ...
Der Therapeutenspruch, mit einem Wahrheitsgehalt wie in der Autowerbung - "Nichts ist unmöglich" - wurde zum Strohhalm. Ähnlich hat schon die Zigarettenreklame geblendet: "Ärgere Dich nicht, warum denn in die Luft gehen, greife lieber zur Zigarette!"

Die Werbung, die hier die Kundenbindung zum Ziel hat, stellt uns allerdings vor eine Scheinalternative. Es ist zwar nicht direkt entspannend, aber durchaus möglich, z.B. die Verärgerung über Possenreißer, die ihre Klienten oder deren Partner lächerlich machen, zu äußern, ohne zu explodieren.



07

"Realität ist etwas für Leute, die mit Alkohol nicht klarkommen"Die Suchtproblematik sollte auch nicht unangesprochen bleiben. Ich schilderte die Problematik so gut, wie ich konnte.

Der Therapeut hatte die Antwort parat. Der Wein stellte für mich das Fläschchen zum Durchschlafen dar. Ich könne es ja auch weglassen, und gleichzeitig 800 kcal. täglich einsparen.
Er tat, als könne er kein Suchtproblem erkennen. Ich finde seinen Satz bis heute überwiegend zynisch.

Nonverbal gab es eine Antwort der frankophilen Art: VDQS, zwei Jahre alt, im Sechserkarton. Die Kartons hinter der Küchentür, türhoch gestapelt, wobei der Vorrat sich sachte Karton um Karton reduzierte. Vodka im Kühlschrank, mit sinkendem Pegel. "Trinken, mit Maß und Ziel" - so verschleiert sich mancher seine Abhängigkeit.


Trinken, was man verträgt oder was "gut" tut, für problematischere Fälle ist die Psychiatrie zuständig, schien das Motto zu lauten. Von den drei Medizinern erwischte es Bert, der zum Thema "sich vorstellen" gemeint hatte, wir könnten es ja auch lassen.


Dabei gab es nicht nur den Alkoholismus, sondern ein breites Spektrum an vertretenen Süchten, so auch Arbeitssucht, Klatschsucht und übersteigerte Geltungssucht in der Gruppe.

Die Verwobenheit der verschiedenen Süchte untereinander klingt in einem Buchtitel von Raymond Battegay an: "Vom Hintergrund der Süchte - Zum Problem der Drogen-. Medikamenten-, Nikotin-, Alkohol- und Triebbefriedigungsabhängigkeiten". Er gewann den Eindruck, "daß diese Menschen ihre Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit mittels einer Gruppe zu überwinden vermögen. Fällt die Gruppe, eventuell auch nach langen Jahren, weg, werden sie leicht wieder ihrer Sucht verfallen."

Eine VolksdrogeAuch könne man dem Süchtigen nicht unbedingt seinen "Stoff" einfach wegnehmen, ohne ihm etwas Besseres, eine Alternative, anzubieten, meinte Battegay sinngemäß.

Meiner Gattin, die mich wegen meiner "Sauferei" geißelte, zu sagen, dass ich in Wirklichkeit ja nur trinke, um durchzuschlafen, wäre keine schlechte Zwecklüge gewesen:

Es gibt (...) Alkoholismus, Nikotin, Streitsucht, Tablettensucht, Arbeitssucht, Sexsucht, Pornosucht, Spielsucht, Sammelsucht, Putzsucht, Esssucht, Magersucht, Internetsucht und so weiter und so fort. Die Sucht dient in der Regel dazu unangenehme, bedrohliche oder sogar überwältigende Gefühle nicht wahrzunehmen.

Probleme machte mir das "Fläschchen" in der "Deutung": Zwar hatte künstliche Babynahrung für mich eine schlechte Bedeutung gehabt, da ich früh abgestillt worden war. Das Fläschchen hatte ich aber nach der Umstellung auf feste Nahrung nicht vermisst.
Die Intuition muss nicht immer zutreffen, das Trinken auf die frühkindliche Fixierung zu reduzieren, blendet die aktuellen Probleme aus, die Fixierung auf die Fixierung ähnelt von der Funktion her einer Sucht.




08


Eigentlich hatte ich genug von meinen Problemen. Dennoch erzählte ich, dass ich im Alter von neun Jahren einer Hormontherapie gemacht hatte. Heute findet man relativ problemlos Informationen im Internet; damals sich autonom zu informieren war fast unmöglich.

Diagnose Der Arzt stellt einen Hodenhochstand durch Betasten des Hodensacks fest. Bei dieser Untersuchung sind Ruhe und Geduld besonders wichtig, da durch Angst, Kälte oder eiliges Vorgehen bei vielen Jungen die Hoden durch den Cremastermuskel ein kleines Stückchen in den Leistenkanal gezogen werden und so ein Hodenhochstand vorgetäuscht werden kann. Ein Leistenhoden kann mit einer speziellen Technik im Leistenkanal getastet werden. Liegt der Hoden in der Bauchhöhle, kann man das mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung oder einer Magnetresonanztomografie diagnostizieren. Behandlung Der Pendelhoden bedarf in der Regel keiner Behandlung. Die anderen Formen des Hodenhochstandes sollten nach Ende des ersten Lebensjahres behandelt werden, ...

Dass es eine psychosexuelle Entwicklung gibt, ist ja nichts neues. Was ich hatte ansprechen wollen, waren meine Schwierigkeiten mit dem plötzlich erhöhten Hormonspiegel, der damit verbundenen sexuellen Erregbarkeit und der Schwierigkeit, dies psychisch zu verarbeiten. Ich kam immerhin dazu, die Fakten zu erzählen, und zu meiner Vermutung, dass die Behandlung vielleicht gar nicht indiziert war. In einer Gesprächspause, die ich einlegte, wurde gesagt: "Er wollte Ihnen helfen".
Ich wollte doch nur helfen, also war ich dein Helfer

Damit war das Thema beendet. Die Gefühle bei dieser Behandlung hintangestellt, jedenfalls nicht angesprochen. Wo normalerweise zunächst die Gruppe auf den vorgetragenen Fall reagierte, und dann erst die "Deutung" den Schlusspunkt setzte, gab es nun einen Satz, der die Identifikation mit dem doch unfähigen Hausarzt verkörperte. Allein eine saubere medizinische Diagnose, über den Augenschein und persönliche Vorlieben hinausgehend, hätte eine fundierte Ausbildung erfordert.

Wo die Empörung über uneinfühlsames Verhalten hervorzutreten drohte, wurde sie mit falschen Trost zugekleistert. Der Hausarzt hatte ohne Not (... bedarf in der Regel keiner Behandlung... ) an mir manipuliert, ohne dass ich mich hätte wehren können. Unser Therapeut war überfordert, sich mit mir zu identifizieren und fühlte mit dem Hausarzt.

Statt etwa zu sagen, dass dies ja eine ziemlich heftige Story sei, die sicherlich nicht ohne Spuren geblieben, schnitt er das Thema ab, übte Zensur, um souverän zu erscheinen. Also kein Gesprächsangebot, das aus der Ohnmacht herausgeführt hätte. "Er wollte helfen, konnte aber nicht", eine Fehltherapie.

Der Hausarzt hatte einerseits die falschen Rücksichten auf einen familiären Status quo genommen. Ein heikles Thema. Andererseits: Wenn Kinder Doktor spielen, ist es ein Spiel, und sie wissen, dass sie spielen.
Ich hatte allein zu sehen, wie ich mit den Phantasien, die mit der gepushten Körperlichkeit einhergingen, zurechtkam. Eine echte Zwickmühle, einerseits einen Überschuss an Libido zu haben, andererseits von der Angst beherrscht zu sein, körperlich nicht intakt zu sein. Keine guten Voraussetzungen für eine harmonische Entwicklung. Unter welchen Vorstellungen ich gelitten hatte, wie meine Ängste meine Beziehungen und schulische Entwicklung verpfuscht hatten, durfte ich nicht in die Therapie einbringen, das verblieb unter dem Trostpflaster: "Er wollte Ihnen doch nur helfen."

Mal verschiebt sich das ganze Bild, wenn ein falscher Mosaikstein wegfällt.


09

"Die Magisterarbeit"Die Arbeit war nicht mit der heißen Nadel gestrickt, sondern sorgfältig, gegen mancherlei Widerstände, erstellt. Das Gefühl, dass das, was ich da machte, doch keinen Zweck habe und niemanden interessiere, gehörte dazu. Die Magisterarbeit, der Abschluss meines Germanistikstudiums nach 14 Semestern, enthielt scheinbar wenig, was ich selbst beigetragen hätte, war sehr quellenorientiert, die Reihenfolge und Auswahl der Zitate bewirkte, dass die Autoren "zum Sprechen" kamen, lebendig wurden. Es handelte sich teilweise um sehr alte Quellen, die aber noch längst nicht ausgeschöpft sind; als "Brunnen der Vergangenheit" hatte Thomas Mann das Phänomen bezeichnet.
Es gab Tage, an denen ich nur um zwei Zeilen weiterkam. Einerseits bin ich ein "eher ängstlicher" Typ, der nichts falsch machen will, andererseits eher empfindlich, "sensibel", gehe auch mal mit Ahnungen und leisen Andeutungen, die ich vorfinde, um. Die Arbeit sollte einen wissenschaftlichen Fortschritt darstellen, ich verfolgte auch abstruse Ideen, was es schwierig machte, zum roten Faden zurückzukommen. Es ging mir darum, hinter die Oberfläche der schönen Bilder zu kommen, darüber Sicherheit zu bekommen, dauerte natürlich seine Zeit.

Ich nahm mir meine persönliche Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ohne Höchststudiendauer und Strafgebühren. Von der investierten Arbeit und Zeit war es im Verhältnis zum Zweck ein unvernünftiges und unökonomisches Unternehmen, das eigentliche Faszit in der Mitte versteckt und nicht recht greifbar. Wer das Ergebnis am Ende gesucht hätte, wäre enttäuscht worden - das war nur noch aus formalen Gründen angeflickt. Irreführung war auch der Titel der Arbeit: "Das Nirwana-Prinzip in Herrmann Hesses Steppenwolf". Meine sonst nicht formulierte Ausgangsthese hatte in etwa gelautet: "Es gibt ein universelles Streben/Suchen nach einem entspannten Zustand in einem empathischen Milieu"; einige Aspekte, die die Entstehung unserer kulturellen Identität betreffen, ergaben einen parallelen zweiten "roten Faden", der auch das Unterthema "Literatur als Therapie" durchzog. Ich tat, was ich konnte, ähnlich wie es die Fabel von dem Frosch, der in den Sahnetopf gefallen ist, schildert.
Nach dem Abschluss der Arbeit verteilte ich symbolische sieben Kopien an gute Freunde, Bekannte und meine Therapeuten, feierte eine Woche lang.

Zum kleinsten Teil wegen der Erweiterung der Literaturliste um den Titel: "Freud und die Ursprünge der Weltreligionen" hatte ich ein Zitat aus einem Buch der Therapeutin eingefügt.

"Wir kennen das doch aus der Spieltheorie: Der Schauspieler ist seine Rolle"Jene hatte vermutlich die Literaturangaben überflogen und stellte in der Sitzung nach den Ferien fest, dass ich sie zitiert hatte. Mehr mochte sie nicht sagen, lächelte und verbarg die Hände mit den Innenflächen gegen den Stuhl unter den Oberschenkeln. Mein Wunsch nach Resonanz ("Feedback") ist nicht nur hier frustriert worden; gegenüber bestimmten Leuten in der Folge gestorben, was ich, wo ich hinter deren Masken geschaut habe, nicht einmal mehr bedaure.

Ich wurde, wie bei meiner vermeintlich loyalen Schwester, mit dem "Hinweis" aufs Zitat (diesmal nicht auf die Zitierweise) abgefertigt. Kein Nachfragen, das heißt: Sie hatte entweder nichts gelesen oder alles verstanden, oder kein Interesse. Zudem waren wir einem Irrglauben aufgesessen:

Nach dem zitierten Satz hätte Freud die Realität von Traum, Triebwelt, Mythos und historisch entstandenen psychischen und kollektiven Strukturen nicht nur erkannt, sondern entdeckt.

Die Schöpfer und Entwickler der Mythen wären gänzlich unwissend gewesen hinsichtlich ihres Tuns? Traum, Trieb, Gesellschaft nicht schon längst chiffriert und reflektiert im Mythos? Keine Polyvalenz des Mythos? Die "Deutsche Ideologie" noch nicht veröffentlicht?

Indem ich ihre Meinung, ihren Glaubenssatz zitierte, hatte ich mich mit diesem Gedankengut identifiziert. Heute bin ich froh, die Idealisierung des "Ur- oder Übervater Freud" nicht mehr mitzumachen. Mein eigenes Verständnis ist mir wertvoller als ein abgekupfertes.

Der Glaube, Freud sei "der Entdecker" des Unbewussten entspricht in Etwa dem Versuch, Schatten zu fangen: "Gläubiger Knabe, du haschest vergeblich nach flüchtigen Bildern".



Dali: Metamorphose des Narziss

 

 





10

Zu Beginn meiner Zeit in der Grupe hatte ich berichtet, dass ich bei der Trennung von meiner ersten Freundin sehr tief gefallen war. Einige Elemente dieser Beziehung, meiner Abhängigkeit und übergroßen Anpassung konnten auch bearbeitet werden, und ich war nicht der Einzig, der grosse Trennungsängste entwickelte.
Die traten in meiner aktuellen Beziehung jedoch nicht hervor; wir waren ja ein funktionierendes Paar, das zu einem Elternpaar wurde.
Normalität auf der ganzen Linie. Eine "normale" Entwicklung ist es ist auch, wenn das Kind und das Haustier für die Mutter das Wichtigste wird und bleibt, so dass der Mann ("der kann doch selbst für sich sorgen") zurückstecken muss und findet, dass das doch nicht alles gewesen sein kann.

Szene aus der OdysseeUnd, mehr oder weniger, sind wir doch alle Helden. Wenn nicht, haben wir Helden als Vorbilder; das war wohl schon immer so.
Odysseus ist hierfür ein Beispiel; manche Stationen der Oyssee sind chiffrierte Beschreibungen unserer Wünsche, die wir, unter der Oberfläche verborgen, hegen.
Sie auszuleben oder Anderen einzugestehen ist eine andere Sache. Allein darüber zu reden, erfordert, je nach Sozialisation, schon eine gehörige Portion Mut und Vertrauen. Zum Teil konnte ich mit einem weiblichen Mitglied der Gruppe über dieses Thema sprechen. Wollte ich über meine (Zu-) Neigungen in der Gruppe sprechen, waren wir doch alle kleine Sünder, und ich wollte bloss Quatsch machen. Thea verließ die Gruppe, die keine Paarbildungsgruppe werden sollte; dazu leisteten Andere ihren Beitrag. Thea fand Aufnahme in einer neuen Gruppe des gleichen Therapeuten, so dass eine Beziehung zwischen uns den Touch einer Dreiecksbeziehung gehabt hätte und sich nicht entwickelte.

Daran, die Gruppe von mir aus zu verlassen, hatte ich von mir selbst aus gar nicht gedacht, aber, es kam gleichzeitig der Punkt, an dem ich der Gruppenälteste war, der hier doch nichts mehr zu suchen hatte und vor die Tür gesetzt wurde. Das war doch das Beste, auch, weil ich so, nach einer Pause, wieder in den Genuss der Förderung durch die Krankenkasse käme, hieß es.

Das war das Ende meiner Gruppentherapie. Man muss den Einzelfall würdigen, hatte ich einmal gesagt, kann nicht alles über einen Leisten schlagen. "Sie bekommen natürlich immer Ihren Extra-Leisten", log er, als ob er gewusst hätte, dass, was er zurechtgeschustert hatte, nicht passen konnte.

 


11

Neben der Therapie in der Gruppe gibt es die durch die Gruppe. Exemplarische Grüsse an Manuela (wenn das keine gegenseitige Hilfe war!), und H., der auch zur schreibenden und träumenden Zunft gehört, und die anderen Problembeladenen.

Bei der Therapie der Gruppe wird die Gruppe als Ganzes angesprochen. Also hatte die Frau Therpeutin in der zähen Anfangsphase geäußert, dass die Gruppe auf die süße Muttermilch ihrer guten Deutung warte. Dass wahre Worte nicht schön sein können, verschwieg sie in diesem Zusammenhang; wie wir sehen konnten, gab es ein paar "süße" Deutungen.
Zwei Jahre später schied sie aus "organisatorischen Gründen" aus der "gemeinsamen Gruppenleitung" aus, worauf sich jeder schweigend seinen eigenen Reim machte, oder auch nicht. "Wenn sich wer aus dir nichts macht" (B.Brecht) mag die Person auch nicht viel verstanden haben.
Dass die gewährte therapeutische Aufmerksamkeit für die Klienten sich verringerte, war ein unangenehmes Thema, das verdrängt wurde. Auf dem Papier hatte ohnehin keine Trennung stattgefunden, der gemeinsame Briefkopf des Therapeutenpaars blieb erhalten. So wurde meine Amnesie hinsichtlich Streitigkeiten - Stichworte: "Trennungsgedanken der Frau, Familienloyalit, Familiengeheimnis" auch nicht aufgehoben.

Die gemeinsame Gruppenleitung war mit diesem Rückzug halbiert, unbewusst stellte sich die Frage nach dem Co-Therapeuten; ich versuchte mich mehr oder weniger erfolgreich in der Rolle, von der ich rückblickend abrate: Sie ist zu undankbar.

Als Leiter will man seinem vermeintlichen Beifahrer schon mal sagen, wo es langgeht, verwechselt eigene Ziele mit denen des anderen; das erzeugt eine Atmosphäre der Bevormundung und ist schlecht für die Neutralität. Wir ersparen uns weitere Beispiele.
Ein wenig ungesunde Konkurrenz gab es noch auf anderen Gebieten; fast könnte man z.B. seinen Satz "Eine unglückliche Liebe hat noch nie geschadet" für wahr nehmen, es wird jedoch wohl ein unglücklicher Zynismus gewesen sein.

Ob unsere Therapeuten, wenn sie an ihre engen Grenzen kamen, sich ihrer Therapiefehler jeweils bewusst waren, lässt sich nicht sagen; in einem anderen Zusammenhang war einmal der Terminus von den "gestutzten Flügeln" gefallen....

Karl Kraus, Aufnahme von Trude Fleischmann um 1920
Mit Karl Kraus, der die Psychoanalyse als "jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält" charakterisierte, könnten wir nun über "... das Verhältnis von konvexer und konkaver Narrheit" spekulieren - vielleicht später. Vielleicht wäre das Studium von Kraus ebenso lohnend wie das von Freud. Aber, "man kann nicht alles studieren".

 

 

 

 


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Zum Umgang mit der Zeit hat Schopenhauer ein paar Verse aus dem Griechischen übersetzt, hier heißt es zur Vergangenheit:

"Aber so sehr es uns kränkte, wir wollen es lassen geschehen sein / Und, so schwer es uns wird, den Unmut zähmen im Herzen."


Wichtiger als vergangene Ereignisse, die wir - sinngemäß - nicht noch durch ein Fernglas vergrössern sollten, sei ohnehin die Gegenwart. Und, was die Zukunft betrifft: "... das liegt im Schoße der Götter."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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