Mit einer schier 
          grenzenlosen Verliebtheit fing die Beziehung an. Der Partner wurde vielleicht 
          etwas überschätzt und durfte sich Sachen erlauben - aber wir 
          wollen nicht ins Detail gehen. Siegmund Freud hätte von einer leichten, 
          milden oder harmlosen(??) Manie gesprochen. Die erste Verliebtheit ging 
          vorüber, aber die bisher geknüpften Bande hielten und wurden 
          durch Vernunft, Hoffnung, Heirat und Kinder gefestigt. Schon früh 
          jedoch bemerkte sie, dass er sie enttäuschte und ihr nicht genügte. 
          Obwohl sie es ihm oft genug sagte, gab es allzuoft Streit. Entschlossen, 
          dennoch das Leben zu genießen, gönnte sie sich nicht immer, 
          sondern mehr und mehr, was ihr zustand, auch gutes, bodenständiges 
          Essen und ein Weinchen oder ein, zwei Piccolöchen. 
          Ihre ernste Sorge galt jedoch 
          ihren Kindern, und die Vorstellung, sie könne als Mutter nicht 
          gut genug sein, besprach sie mit einem besonders großartigen Wunderheiler, 
          der sich mit der Idee während vieler Sitzungen teilnehmend, annehmend-therapeutisch, 
          wie ein gütiger Vater befasste. In dieser ihr teuren Beziehung 
          erkannte sie, wie unendlich schwierig es war, eine perfekte Mutter zu 
          sein, näherte sich diesem praktischen Ziel jedoch leidlich an, 
          indem sie den Kindern keinen Wunsch versagte - schon gar nicht den nach 
          einer sanften, exclusiven Luxusgeburt. 
          
          Zum Umgang mit eigener und fremder Gier ergab sich kein Lerneffekt, 
          da ihr Therapeut, Gynäkologe und Geburtshelfer unter dem Deckmantel 
          einer elitären Behandlung effektiv die Hand aufzuhalten wusste, 
          sowohl gegenüber Lisa, als auch gegenüber ihrer Krankenkasse, 
          die so manche fiktive Sonderuntersuchung während Lisas "Risikoschwangerschaft" 
          zahlte.
          
          Die Art der tatsächlichen Untersuchungen stand zwar im Widerspruch 
          zum Gebot der therapeutischen Abstinenz, aber in Dreierkonstellationen 
          neigte er zu Rivalitäten und dazu, den "Dritten" zu schädigen 
          - so lernte Lisa, wie wenig ihr Gatte galt; Reinhold wurde vor Augen 
          geführt, dass die Benutzung eines Dildos ganz normal ist, wenn 
          es sich nicht um die eigene Frau handelt und der Dildo einen Ultraschallsender 
          hat. 
          Es war zwar der Therapeut, der einen Ehekonflikt nach Schema F interpretierte 
          und Lisa darin bestärkte, dass Reinhold sie wie eine Hure (oder 
          alternativ wie eine Heilige) betrachte und behandle - dass Reinhold 
          sexuell mit Beziehungen ohne Liebe nichts anfangen konnte, darin versagte 
          und sich für sein "Versagen" schämte, ging über 
          das Vorstellungsvermögen von "Therapeut und Klientin" 
          hinaus. Ohne den Ansatz einer Konfliktlösung wurde nicht Reinholds 
          Scham, sondern nur seine Schuld, die er sich zugezogen hatte, weil er 
          sein Versagen nicht ertragen konnte, thematisiert: Ein schweres Versäumnis, 
          denn streng genommen gab es keinen objektiven Grund für Reinholds 
          Scham, war seine Verschämtheit humaner als sonstige "Unverschämtheiten". 
          
          
          Als permanent Verurteilter, dem kein abzubüssendes Strafmass mitgeteilt 
          wurde (Frau behielt sich jedoch stets eine polizeiliche Anzeige vor, 
          ließ das Damoklesschwert schweben), fühlte R. sich merkwürdig 
          ohnmächtig gegenüber den Vorwürfen, von ihm komme doch 
          nichts, hatte er doch u.A. für die gerburtshelferische Dienstleistung 
          so viel bezahlt, dass er den "Helfer" als Blutsauger empfand: 
          Steckte dieser als "Verbündeter Räuber" mit Lisa 
          unter einer Decke, würde er Lisas Feindschaft Reinhold gegenüber 
          aufrechterhalten, wollte er die profitable Privatpatientin behalten, 
          konnte er nicht daran interessiert sein, dass Lisa sich mit Reinhold 
          (gegen ihn) solidarisierte. Beruhte die "Arzt-Patientinnen- Beziehung" 
          großenteils auf Lug und Trug, legte der "Helfer" doch 
          ungewollt seine Karten offen, als Reinhold ihn gelegentlich nach der 
          Art der Beziehung fragte, und die Gegenfrage "Wollen Sie sich mit 
          mir anlegen?" als Antwort bekam: Der Arzt outete sich als jemand, 
          der zu den Mitteln der Drohung und Einschüchterung griff. Handelte 
          es sich bei diesen Vorgängen um ärztliche Kunst, könnten 
          wir von einem ärztlichen Kunstfehler sprechen; so nennen wir es 
          lieber einen Denkfehler: 
        
          Das Gelingen des therapeutischen Prozesses ist an die therapeutische 
          Beziehung gebunden; Wo darüber hinaus gehende "Interventionen" 
          oder Kontakte und Berührungen stattfinden, geht die therapeutische 
          Beziehung in eine zwischenmenschliche über, ist die Therapie per 
          Definition am Ende. Das Unbewusste ist, wie wir z.B. aus der Traumdeutung 
          wissen, in der Lage, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Einem, 
          ungetrennt zu betrachten - das mag seine Art, Zusammenhänge darzustellen, 
          sein.
          Wer also bewußt reale und therapeutische Beziehung trennen, innerhalb 
          formaler oder libidinöser Beziehungen eine Therapie beginnen will, 
          sieht von den besonderen Fähigkeiten und Begrenzungen des Unbewussten, 
          das z.B. einen Chef immer als Chef verstehen wird, ab. Z.B. negativen 
          Übertragungen und Gefühle, die in großer Intensität 
          entstehen können, wird es in einer solchen "Therapie" 
          verwehrt, sich "gegen den Chef" zu wenden, da diesem gegenüber, 
          real UND/oder in der Übertragung, eine große Abhängigkeit 
          besteht. Sie suchen nach einem anderen Ausweg, zwangsläufig findet 
          sich ein anderes Opfer, KlientIn kommt ins wilde Agieren. Der "Therapeut" 
          kann sich mittlerweile in der positiven Übertragung sonnen oder 
          seinen "gerechten" Lohn einstreichen, ohne zu berücksichtigen, 
          welche Schäden außerhalb der "therapeutischen Insel", 
          außerhalb der Sphäre der "Elation" entstehen - 
          wir finden ihn ausgesprochen narzißtisch motiviert. 
          Gewisse Traumata, real oder phantasiert, sind unter solchen Gegebenheiten 
          nicht zu behandeln, wo das Ansehen des "Therapeuten" im Vordergrund 
          steht, kann er der Erfordernis der allgemeinen, freischwebenden Aufmerksamkeit 
          nicht mehr gerecht werden, kann die Beziehung nur unabgeschlossen abgebrochen, 
          nicht ordnungsgemäß in die "Relation" übergehen 
          und zu Ende gebracht werden. 
         
         
         Lisa machte 
          Reinhold nun auch für ihre Falten und dafür, dass sie nicht 
          mehr schlank wie eine Gerte, verantwortlich. Jener hatte sich während 
          ihrer Schwangerschaften und aus Frust über seine beruflichen Mißerfolge 
          ständig gerundet , verstand das Problem genau gegensätzlich, 
          und wie so die Zeit verging, schien es, als zerrütte sich ihre 
          Partnerschaft, auch wenn er ihrem Vorschlag, zur Probe sich eine eigene 
          Wohnung zu nehmen, nicht folgte. Beide fühlten sich diffus oder 
          konkret abgelehnt, kannten ihre Wünsche nicht und konnten sich 
          kein gemeinsames Ziel vorstellen.
        
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          und Familienloyalität 
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